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Archiv für die Kategorie ‘Prof. Dr. Kohlhof Textbeiträge’

FELIX & REGULA im Wertschöpfungs-Marketing-Mix

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Felix- und Regula Quellen / Linth-Quellen im Tierfehd/Linthal Glarus Süd – Bildrechte: David McLion

Prof. Dr. Joachim Kohlhof, Wirtschaftswissenschaftler, Gründer des Collegs für Wirtschafts- und Unternehmensethik in Mehren/Eifel (D) und langjähriger Schirmherr der VITAO® Ethic Community Glarus Süd hat in seinem Buch “Die verführte Gesellschaft – ist Ethik nur eine Theorie im Kopf?“ dem Pilgerweg Felix und Regula ein ganzes Kapitel gewidmet. Über die Zusammenarbeit mit David McLion auf einem für Marketing etwas ungewöhnlichen Weg:

Wertemanagement und Wirtschaftsförderung, Tourismus Marketing und Oekumene-Konfliktmanagement – das alles lässt sich gemeinsam anpacken. Schliesslich hängt alles miteinander zusammen, auch wenn diese Fäden sehr dünn, für nicht wenige nahezu unsichtbar sind.

In den Guidelines des VITAO® Ehrencodex werden im 9. Kapitel Positionierungs-Fragen an Kantone gestellt.


CHECKLISTE FÜR KANTONE

9.7 Welche topographischen Besonderheiten (Gebirge, Seen, Wasserwege…) beschreiben Ihre Destination und sorgen für Einmaligkeit bzw. prägten über Jahrhunderte die Identität seiner Bewohner, Bürger, Unternehmer, Politiker?

9.8 Welche Industrien haben sich in dieser Landschaft im Sinne naturgegebener Ausgestaltung angesiedelt und dem Gebiet historisch gesehen unnachahmliches Profil gegeben?

9.9  Welche naturgegebenen Ressourcen sind noch zu erschliessen oder auszubauen, damit über Jahrzehnte hinweg dem Kanton / der Region optimale Überlebensbedingungen in weitestgehender Unabhängigkeit garantiert werden können?

9.10 Welche Infrastrukturen / Netzwerke sind noch auszubauen, um zu gewährleisten, dass auch eine Landschaft im geografischen Abseits bestmögliche regionale bis internationale Verbindungen eigenverantwortlich aufrecht erhalten kann?

„Auf den Spuren der Heiligen Felix und Regula zwischen den Quellen im Tierfehd, Glarus Süd und Zürich“ –  als eine über Jahrhunderte gewachsene geistige Verbindung – war für den Innovator David McLion ein „gefundenes Fressen“. Brücken zu bauen zwischen Ökumene und Wirtschaftsförderung, Tourismus und Pilgerismus – da schlägt das Herz des Marketing-Hybriden höher. 


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Glarus Süd mit Blick auf den Tödi (3.614 m ü.M.) Bildrechte David McLion

Wer sind die Heiligen Felix und Regula und wo liegen ihre Quellen? Welchen Zusammenhang bietet das Thema mit der Stadt Zürich? Das Glarnerland liegt vor den Toren Zürichs und ist verkehrstechnisch über zwei S-Bahnlinien verbunden (1 Stunde bis Linthal).

Textauszüge aus Joachim Kohlhofs „Die verführte Gesellschaft – ist Ethik nur eine Theorie im Kopf?“

Aus der freien Enzyklopädie Wikipedia erfahren wir, dass es sich bei Felix und Regula eher um zwei unbekannte Heilige der römisch-katholischen Kirche handelt. Es sind Geschwister, die Mitglieder der Thebäischen Legion – einer römischen Einheit – waren und im Jahre 302/303 n. Chr. bei Aganum im heutigen Kanton Wallis in der Schweiz den Märtyrertod Tod durch Enthauptung fanden. Sie werden als Stadtpatrone von Zürich verehrt, gemeinsam mit dem dritten Stadtpatron Exuperantius, der mit ihnen das gleiche Schicksal teilte.

Der Legende nach starten sie durch die diokletianische Christenverfolgung. Sie wurden – wie viele andere verfolgte Christen in der damaligen Zeit – durch römische Eiferer aufgespürt und anschließend geköpft. Im Grossmünster der Stadt Zürich – im Fraumünster und der Wasserkirche – werden sie bis heute verehrt. Ihr Gedenktag ist der 11. September.

Was war vor mehr als 1700 Jahren passiert?

Nach dem Rat des Kommandanten der römischen Legion Mauritius waren Felix und Regula gemeinsam mit ihrem Diener Exuperantius über die Furka, das Reusstal und den Klausenpass ins Glarnerland gelangt. Dort folgten sie der Linth bis zum Zürichsee und erreichten schließlich das römische Lager Turicum, das heutige Zürich, wo sie blieben und ihrem christlichen Glauben dienten.

Der für seine Grausamkeiten besonders berüchtigte römische Kaiser Maximian nahm die Verfolgung der Christen bis nach Turicum auf und seine Häscher spürten sie während ihrer Gebete zu Gott auf. Da sie nicht gleich erkannt wurden, stellten die Verfolger die Frage, ob sie Gefährten der übrigen flüchtigen Angehörigen der thebäischen Legion seien. Als Christen der Wahrheit verpflichtet, offenbarten sie Ihre Identität und bekannten sich dieser Legion zugehörig. Trotz Androhung von Folter und Tod ließen sie sich nicht zum Opfer an die römischen Götter Jupiter und Merkur zwingen. Auf Befehl des Kommandanten die ergriffen die Christenverfolger die Delinquenten und führten sie auf eine kleine Insel in dem Fluss Limmat. Dort wurden sie schließlich enthauptet. Engel sollen anschließend die Leiber der Enthaupteten, die ihre Köpfe in den Armen trugen, genau auf 40 Ellen (Schritte) den Berg hinauf getragen haben, wo sie begraben wurden.

Schriftliche Hinweise zu dieser Legende finden sich in der Stiftsbibliothek in St. Gallen und stammen aus der zweiten Hälfte des achten und neunten Jahrhunderts. Die Legende von Felix und Regula, den beiden Märtyrer Geschwistern, verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten und wurde aus der lateinischen Urschrift bis in die Schweizer Mundart Sprache bildhaft und wortreich ergänzt.

So wurde überliefert, dass der grausame Tyrann Dezius den zum Tod Verurteilten befahl, ihren Nacken zu zeigen, damit ihre Häupter abgeschlagen werden konnten. Als die zur Enthauptung Verurteilten dies gehört hatten, beteten sie und streckten ihre Hände zum Himmel. Sie neigten ihre Nacken und starben so den Märtyrertod für ihren Herrn und Gott.

Auch diese Legende gehört zur Gattung der sogenannten Martyriums Geschichten. Vieles wurde im Laufe der Jahrhunderte hinzu gedichtet, und vieles ist wahr. Kern der legendären Botschaft ist die Standhaftigkeit im Glauben der jungen Christen und die Willensstärke der mit ihrem Leben Bedrohten in den Grenzsituationen ihres Lebens. Das Leiden und Sterben des Gekreuzigten dient hier oftmals als Vorlage der eigenen persönlichen Leidensgeschichten und unterstreicht die Unerschütterlichkeit ihres Glaubens an Jesus Christus und seine heilige Passion.

Der geschichtliche Hintergrund ist authentisch. In der Zeit zwischen 302 und 305 nach Christus wütete die diokletianische Christenverfolgung und forderte das Leben zahlreicher anderer Glaubensbrüder. Diokletian machte Maximian im Jahre 286 zum mitkaiserlichen Christenverfolger. Letzterer zeichnete sich durch besondere Tyrannei und Brutalität im Umgang mit gefangengenommenen Christen aus.

Das Motiv der Reise der beiden Geschwister von Thebäis in Ägypten bis hin zum Kastell Turicum war der Verzicht auf materiellen Wohlstand, um das eigene Leben vollkommen in den Dienst Gottes zu stellen. Es war eigentlich eine Pilgerreise, die dazu dient, ein neues gottgefälligeres Leben zu führen und das alte Leben mit der Verehrung römischer Gottheiten zu beenden. Am Ziel ihrer Reise, wo der Abfluss des Zürichsees in die Limmat einmündete, wollten die Pilger ihren Frieden finden. Und ausgerechnet dort treffen sie auf ihre Henker.

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Zum Gedenken an diese Ereignisse fand im Jahre 2013 wieder eine Pilgerreise statt. Beginnend bei den beiden Quellen Felix und Regula, deren Flusslauf sich vom Tierfehd, nahe dem Quellgebiet der Linth im Tödi-Massiv, durch den Kanton Glarus schlängelt und schließlich in den Zürichsee einmündet, verlief der Pilgerweg über Kloster Uznach, Rapperswil bis nach Zürich.

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Diese Wallfahrt setzt eine lange Tradition früherer Pilgerreisen fort, die schon in vorreformatorischer Zeit einsetzten und zu den Heiligen Felix und Regula führten. Im Kreuzgang der Grabkirche von Felix und Regula, dem Grossmünster in Zürich, befindet sich eine Zeittafel, die eine erstaunliche Notiz aufweist: im Jahre 1525 wurden Messe und Abendmahl abgeschafft, und ein Jahr zuvor unter Zwingli der Heiligenkult beendet und die Kirchenschätze beschlagnahmt. Dies war der Auslöser dafür, dass die Reliquien der beiden Heiligen nach Andermatt gebracht wurden, wo ihre Häupter seither in der Pfarrkirche aufbewahrt werden.

Pilgern heißt, auf dem Weg sein, um sein eigenes Kastell zu erreichen. Wallfahrten mit den unterschiedlichsten Menschen in der Gemeinsamkeit auf das letzte Ziel hin und in der geistigen Nähe zu den Heiligen, ist wohl die Hauptmotivation aller Pilger. Sie alle spüren auf ihrer Pilgerschaft einen Hauch der Botschaft Jesu Christi, zu der die meisten von uns ein offenes Ohr haben.

Die VITAO® Allianz Schweiz – ein Mehrwert-Netzwerk unter der Leitung von David Mclion hat das Tor zur wiederbelebenden Selbstreflexion über die Stadtheiligen von Zürich weit aufgestoßen und den Pilgerweg „rekultiviert“.

Er hatte den Mut, den schlummernden Riesen mit seinem professionellen Engagement für den Kanton Glarus touristisch zu wecken und die Neugier potentieller Pilger, wie auch solcher, die sich am Wandern durch urige Naturlandschaften erfreuen, zu stillen. Gern haben sich Kirche und Kanton seinem Engagement geöffnet und die Chance erkannt, sich und die Heiligen wieder mehr ins Gespräch zu bringen.

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Die erste der 44 Detailkarten auf  der Basis von Google-Karten aus dem Prospekt

Von den Felix-und-Regula-Quellen im südlichen Glarnerland entlang der Linth bis zur Limmat, so verkündet die Marketingbotschaft des Kantons Glarus, soll dem Pilger und Wanderer wieder bewusst gemacht werden, auf welchem Weg er sich in dieser Welt bewegt. Die Jagd nach dem redlichen und unredlichen Geld sollte für einige Tage des Lebens unterbrochen werden, um vielleicht für einen Moment einen neuen Standort für sich selbst und eine neue Vision des eigenen Daseins zu finden.

Die schweizer Ökumene hat dieses Verlangen aufgegriffen und marketing- und internetgestützt nutzbar gemacht, und zwar in der Erkenntnis, dass die historischen Wurzeln der Pilgerschaft zu den Heiligen Felix und Regula in ihrem Boden ruhen und von ihr ausgehen. Dies soll jedoch keine Eintagsfliege sein, sondern muss von den christlichen Kirchen selbst gepflegt und gefördert werden, um es nicht ausschließlich dem non-klerikalen Engagement zu überantworten. Es ist immer ein Zeichen gelebter und praktizierter Seelsorge, wenn die Kirchen sich um ihre Schafe vor Ort bemühen, egal aus welchem Stall sie kommen. Die Stärkung des Glaubens an Gott durch ihre anvertrauten Gläubigen wird in besonderer Weise der örtlichen Kirche zugute kommen (…)

Als langjähriger Schirmherr der VITAO® Ethic Community bin ich stolz darauf, dass aus den ursprünglichen Ansätzen und Absichtserklärungen nunmehr ein Projekt entstanden ist, dem ich eine lang andauernde Wiederbelebung wünsche. Auf diese Weise wird dem Anliegen der Ethic Community mit dem Label „I am responsible“ sichtbar Rechnung getragen, nämlich, dass der Kanton Glarus es ernst meint, unter den Kantonen der Schweiz eine besondere ethische Stellung einzunehmen, und sich verantwortlich zeigt für die Aufgaben und Fragen dieser Welt. Der Weckruf zur Pilgerschaft ist vielleicht der Beginn von vielen Weckrufen, auf die wir uns alle einlassen sollten. So gesehen ist jedes Sich-auf-den-Weg-Machen ein Aufstehen, ein eigenes Auferstehen von unseren tradierten und eingeübten Gewohnheiten und eingefahrenen Bequemlichkeiten. Der Märtyrer ist deshalb beispielhaft, weil wir oft selbst kopflos sind, ohne Sinn und Verstand unser Leben vergeuden und das „Haupt auf dem Arm“ tragen. Das beginnt jedes Mal dort, wo wir wegschauen, wenn wir helfen sollen, und wenn wir Widerstand leisten sollten, während wir applaudieren (…)

Was soll eine Wallfahrt in postkapitalistische Zeit, in der die Korruption blüht,, noch bewirken, in der das Chaos zu Lebenskultur erhoben wird und die Menschen sich gegenseitig entfremdet haben? Die Kirche hat in den vergangenen Jahrhunderten immer weiter den Zugang zu ihren Gläubigen verloren und keine Antwort gefunden auf die drängenden Fragen unserer Zeit.

Was bezweckt eine solche Pilgerreise zu den Heiligen Felix und Regula, zum Heiligen Rock oder zu anderen Reliquien der Christenheit noch heute? Münden diese Veranstaltungen nicht in eine Sackgasse? Dienen sie nicht doch nur der Befriedung einiger Würdenträger oder ewig Gestriger, die ihr Leben nur in der Enge katechetischer Frömmigkeit und stoischer Pflichterfüllung ertragen und für sich selbst keine andere Perspektive erwarten?

Nun, jede Wallfahrt ist zunächst eine Auffrischung vergrabene Erinnerungen. Sie dient in vielfacher Weise der Begegnung mit völlig unterschiedlichen Gleichgesinnten in Gedanken, Worten und in Werken. Es spielt dabei keine Rolle, ob eine Wallfahrt von den Gnomen in Zürich, Frankfurt oder New York unternommen wird oder von Heil suchenden Mitchristen. Immer geht es bei Pilgerfahrten um die für sich selbst lebensentscheidenden Fragen: Wie steht es mit mir, mit meinem Leben und mit meinem Christentum? Was muss ich tun, um erlöst zu werden? Welches Leben von mir findet vor Gott Gnade? Hier hat keiner Prioritätsrechte, weder Kirchenfürst noch Vasall, weder Wirtschaftsführer noch Arbeitssuchender,  weder Machthaber noch Machtloser.

Niemand gibt Antwort. Die Kirche tut sich schwer, weil sie ihre eigenen Sünden nicht beichten will, und der Staat, weil er keine Antworten kennt. Mit unserem Glauben stehen wir alleine da. Laden denn nicht gerade Wallfahrten dazu ein, das persönliche Defizit zu schließen? Erinnern wir uns da nicht der Heiligen und auch der Reliquien, die uns Zeichen sein können, in unserer menschlichen Verzweiflung Trost zu spenden? Die Heiligen, Felix und Regula, Jakobus und Matthias könnten Ansporn sein, so wie vor 2.000 Jahren die Heiligen Drei Könige, sich auf den Weg zu machen, um näher bei Gott zu sein.

So sind die Leitgedanken unserer irdischen Pilgerschaft persönlich sehr different und dennoch irgendwie gleich. Der Trierer Leitspruch „Führe zusammen, was getrennt ist“ oder die Gedanken zu Felix und Regula „So wie das Leben fließt, so bleiben auch wir in ständiger Bewegung und Auseinandersetzung mit unserem Glauben“ haben letztlich nur ein Ziel: der eigenen Erlösung näher zu kommen. Dies gelingt uns nur, wenn wir den Weg zu uns selbst finden, den Kontakt zu Gott herstellen und schließlich den Zusammenhalt zwischen unseren Kulturen und den Generationen suchen und pflegen. Es geht um die persönliche Entfaltung ebenso wie um die Förderung eines respektvollen und menschengerechten Umgangs. Das Wandern auf einem inneren Pfad zu uns selbst, zu Gott, zu unseren Mitmenschen und unserer Mitwelt erfordert den ganzen Menschen, nämlich seine Bereitschaft, neu gewonnene Erfahrungen für sein eigenes Leben gewinnbringend umzusetzen.

Die christliche Soziallehre formuliert die Prinzipien unseres christlichen Handelns, wie Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Daraus entsteht eine ethisch normierte Argumentationsstruktur, die nicht zuletzt als Grundlage einer sozial- und wirtschaftsethischen Verhaltensweise dient. In der Argumentationskette fehlt bedauerlicherweise der Begriff Solidarität. Aber sie ist gerade heute Dreh- und Angelpunkt eines wirtschaftlichen Verhaltens, welches die Krisen unserer Zeit heraufbeschwört und uns immer wieder die Verletzlichkeit wirtschaftlichen Handelns für das Wohl der Menschen vor Augen führt.

McLion sieht die Ethik als eine Art Pfeilspitze, die hilft, den Kampf des Lebens zu gewinnen. Alles im Leben ist Kampf: Kampf gegen die eigenen Unzulänglichkeiten und Kampf gegen die Macht Intrigen der Anderen. Aber auch Kampf für Fortschritt und Innovation und Kampf für das Bessere und den Erhalt ethischer Werte. Zugesehen führen wir ein Leben lang Krieg. Krieg gegen uns selbst und gegen Andere. Von Kindesbeinen an lernen wir, uns durchzusetzen. Je wirkungsvoller wir dabei gegen unseren eigenen Kopf gebremst werden, desto raffinierter wird unsere Gegenwehr, und desto ausgefeilter werden unsere selbstgeschmiedeten Waffen zur Durchsetzung unserer persönlichen Lebensidee. Aber es gilt auch, je ohnmächtiger wir sind und in diesem Kampf unterliegen, desto mehr Kräfte und Fähigkeiten bilden sich aus, den Weg der Vergeltung, der Rache und der Zerstörung unserer Mitwelt zu organisieren.

In der Welt der Verlierer, der Neider, der Missgönner und des Hasses will die Ethic Community einen ethischen Weg einschlagen, quasi einen eigenen Pilgerweg zu den vielen Heiligen ebenen, auf deren Fürsprache jeder von uns vertraut. Dieser Weg soll Fehlentwicklungen stoppen oder zumindest hierüber die Diskussion aufnehmen. Aber wie sollte das gelingen, wenn man nicht in taube Ohren flüstern will? Wenn der Bauch leer ist, ist bekanntlich dem Kopf nicht mehr nach Moral. Da wird geplündert, da herrschen andere Sitten, da ist Revolution statt Evolution. Da rotten sich die Schwachen, die Verlierer, die Vernachlässigten und Betrogenen zusammen und wollen nur eines, nämlich gemeinsam ihrem Zorn freien Lauf lassen. Dies ist im Großen genauso wie im Kleinen, in der Gesellschaft wie in der eigenen Familie, so David Mclion.

In der Spirale der Verantwortungslosigkeit, in der Enteignung von menschlicher Würde und moralischem Restanstand der vielen Davids gegen die Goliaths, der Kleinen gegen die Großen dieser Welt, der Ehrlichen gegen die Korrupten, der Anstandsgerechten gegen die Betrüger finden wir uns letztlich wieder. Die Welt ist so, wie sie ist, sie gibt denen am meisten Raum, die herrschen und nicht beherrscht werden wollen, die selbst bestimmen und nicht fremdbestimmt werden wollen, die die Macht suchen und das Sagen haben wollen. Macht es dann überhaupt noch Sinn, die Davids allein mit ethischen Werten, Verhaltensweisen und Normen zu überzeugen? Wenn die Glocken der Kirchen zur Andacht läuten und keiner geht mehr hin, dann verbluten die Menschen innerlich, auch wenn sie sich lieber zeitgleich in der benachbarten Kneipe mit Alkohol betäuben. Die Not ist groß und niemand hilft, sie aus ihrem seelenlosen Schlamassel zu befreien. Sie, die Menschen, stehen vor dem Ausverkauf ihrer Träume von Gerechtigkeit. Ihr Glaube entartet zur Gewissheit, dass es keinen Sinn mehr macht, dem Leben etwas Positives abzuringen. Das irdische Dasein ist von Grund auf schlecht und nur noch für eine Minderheit lebenswert. The winner takes it all.

In dieser Welt der scheinbaren Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit mutet es wenig erfolgversprechend an, Gläubige für eine Pilgerschaft zu begeistern oder sogar an ihre Verantwortung zu appellieren. Dies ist der Anspruch unserer Botschaft, dass alle Menschen für sich und andere eine Antwort geben auf die Frage zu ihrer persönlichen Verantwortlichkeit in dieser Welt. Nicht diejenigen, die als Saufbrüder in der Kneipe ihre Zeit totschlagen, sind schuld, sondern diejenigen, die ihnen Lebensperspektiven bieten könnten, sich aber selbst verweigern. Jeder David kann gegen einen übergroßen Goliath gewinnen. Er muss nur wissen, wie er sich selbst einzuschätzen hat, welche Werte in antreiben und wie er den empfindlichsten Punkt, seine Achillesferse treffen kann. Ein David, der mit einem „Stein der Weisen“ auf den wirkungsvollsten Punkt „des inneren und äußeren Gegners“ abzielt, lernt seine  Schleuder so einzusetzen, dass er trotz seiner geringen Größe und seiner Schwäche ebenbürtig wird oder sogar überlegen ist.

Die VITAO® Ethic Community im Kanton Glarus weiß um die Notwendigkeit der Wiedergewinnung ethischer Ressourcen in unserem Alltag. Sie unterstützt die Bemühungen, wieder eine Symmetrie zwischen unserem Denken, unserem Sagen und unserem Handeln herzustellen. Alles, so scheint es, ist inzwischen asymmetrisch geworden und findet keine Deckungsgleichheit und Übereinstimmung mehr, weil das Vertrauen in die geschäftlichen und persönlichen Partnerschaften verloren gegangen ist. Aufrichtigkeit, Anstand Offenheit und Verlässlichkeit bleiben auf der Strecke und werden vergeblich gesucht. Ethik als Pfeilspitze, zu David Mclion, braucht eine Bogenspannung und ein gutes Augenmaß für das anvisierte Ziel. Und: Ethik ohne innovative Vorwärtsstrategien und die genaue Einschätzung der eigenen Kraft muss ihr Ziel verfehlen.

Felix und Regula bedeuten in deutscher Übersetzung „der Glückliche und die Richtschnur“, d. h. der richtige Maßstab des Lebens. In der Zusammenführung beider Namen sollte der gläubige Mensch auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens erkennen, dass in den Grundsätzen seines Glaubens und seines Lebenslaufes das wahre Glück gefunden werden kann. Das ist unumstößlich und für die Menschheit heute und in der Vergangenheit eine unerschütterliche Lebensweisheit und Geschichtserfahrung. Der Pilgerweg führt uns in die richtige Richtung. Er lässt uns zu dieser Erkenntnis unterwegs sein mit unseren Gedanken, Gesprächen und Begegnungen.

Pilgern ist Seelsorge mit den Füßen. Solange aber die Kirchen, egal welche ökumenischen Provenienz, nicht begreifen, dass jede Pilgerschaft auch ihrer seelsorgerischen Arbeit dienlich ist und nicht nur allein auf dem Rücken freiwilliger Helfer und Helfershelfer ausgetragen werden kann, solange fehlt es an dem Verständnis, dem gläubigen Menschen auf der Suche nach Gott in jeder Hinsicht helfend und begleitend zur Verfügung stehen zu müssen.”

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Vorgeschmäckle: Ob Pilgern oder wandern… unterwegs sein… die innere Ruhe finden…  reine Natur atmen… von den Felix und Regula Quellen im Gebiet des Unesco Welterbes Tektonikarena Sardona…  auf Naturpfaden durch das Glarnerland… entlang der Linth und dem Linth-Escher-Kanal… und kilometerlangem Uferweg am Zürichsee… vorbei an Kirchen, Klöstern und Naturschutz-Zonen. Mit dem Schiff von Rapperswil nach Zürich, reines Entspannen für Körper, Geist und Seele.

Die nachfolgenden Abbildungen sind aus dem aktuellen Pilger- und Wanderführer – einem Sponsorprojekt der VITAO® swiss association. Alle Karten in nichtkommerzieller Nutzung von Google®Maps – Gestaltung  und Rechte: ©20013-2018 David McLion

Und hier noch ein LINK zum Kurzbeschrieb der 20 Kirchen und Klöster auf dem Pilgerweg zwischen Linthal und Zürich.

Textausschnitt aus “Die verführte Gesellschaft”:

“Für Felix und Regula gab es seinerzeit keine organisierte Pilgerreise. Das Ziel ihrer Flucht aus Ägypten war die Hoffnung auf ein friedliches Leben, und dennoch stand am Ende ihr Tod.

Kardinal Kurt Koch beschreibt auf seine Weise das Unterwegssein der Menschen mit den Worten: das äußerliche Unterwegssein der Menschen ist Ausdruck eines inneren Unterwegsseins und der Sehnsucht nach einem guten Ziel der Lebensreise. Denn die Menschen sind umgetrieben von den Fragen, woher sie kommen und wohin sie gehen und wer sie im Licht ihrer Herkunft und Zukunft sind, und die Menschen entdecken im Ringen um Antworten auf diese Fragen, dass sie nur im Unterwegs sein wirklich bei sich selbst sein können. Ökumenisch betrachtet, kommt darin zum Ausdruck, dass alle Pilger – nicht nur Christen – immer mehr zueinander finden, je mehr sie sich gemeinsam auf den Weg zu den Heiligen begeben, die in ihrem Leben Vorbild für alle Menschen waren.

Es wäre schön, wenn den kirchlichen Worten auch tatsächlich Taten folgen würden. Die Zeit wäre reif dazu.”

QUO VADIS Homo bene figuratus (oXo) Eigenverantwortung

Eigenverantwortung als erste Bürgerpflicht?

David McLion

David McLion

“Ethik fragt nach den Grundsätzen und Prinzipien für ein bestimmtes moralisches Verhalten“ schreibt Joachim Kohlhof in einem Mail an David McLion – und weiter: „Sie sucht nach der methodisch geleiteten Besinnung und Begründung auf die faktisch geltende Moral. Sie ist und bleibt nichts anderes als die Lehre von der Verantwortung und versucht auch, diese zu begründen. Deshalb „verunsichert und irritiert“ die Ethik auch und ist deshalb potentiell „gefährlich“. Ethik ist dort angesiedelt, wo menschliche Konflikte sind und sie stellt vor allem nicht nur Bestehendes infrage, sondern fragt in erster Linie, wie Werte (unternehmerische, menschliche, kulturelle), Normen, d.h. kodifizierte Prinzipien und Haltungen, d.h. menschliche Verhaltensweisen begründet werden. Sie ist somit das Ergebnis von Reflexionen über unser Dasein und unser menschliches Miteinander im Leben, in den Unternehmen und in der Wirtschaft“.

Christian Buschan bringt es weiter auf den Punkt:

„Verantwortung ist der Preis der Freiheit (auch der Preis der Freiheit der falschen oder richtigen Entscheidung!)“.

Beim Versuch, das Thema Ethik so zu bündeln, dass es „Lust auf ein faires Miteinander“ macht, geht mir die Frage durch den Kopf: Ist ethisches Verhalten so etwas, das bereits im menschlichen Urgewissen kulturübergreifend implantiert ist, sozusagen als das Unterscheiden-können zwischen Gut und Böse? Wenn ja, dann müsste es doch lediglich „angestupst“ werden.

Die Frage, ob der Mensch von Grund auf gut oder böse ist zielt in die gleiche Richtung. Dieser Beitrag wird, will und kann es nicht beantworten. Allein die Frage sucht nach Antwort, wie eine Gesellschaft kulturübergreifend ange-sprochen werden kann, damit eigeninitiativ, das heisst vom einzelnen Bürger aus, sich verantwortliches Denken und Handeln in die Welt ausbreitet. Diese erste Bürgerpflicht muss ihm bereits in die Wiege gelegt werden, als sorgsam zu pflegendes Gut eines sozialen Gewissens oder auch einer spirituellen Intelligenz, interkulturell, interreligiös: „Ich bin verantwortlich“.

Statt immer mehr Regeln, Gesetze, Vorschriften von oben nach unten – mehr Eigenverantwortung, mehr Selbstverpflichtung, mehr Selbstdisziplin. Warum? Kinder, die es im frühen Alter gelernt haben, für ihre Handlungen und das, was um sie herum geschieht, selbst Verantwortung zu übernehmen, sehen sich als Teil eines Ganzen. Ihnen wird sehr früh bewusst, dass sie durch eigenes Handeln etwas bewirken können und lernen, mit dieser Erfahrung eigenverantwortlich umzugehen. Sie schauen hin, hinterfragen kritisch, sind interessiert, motiviert und fähig, an der Qualität ihres Umfeldes mit zu arbeiten. Verantwortung entwickelt sich so nicht als Bürde sondern als besonders ausgeprägte Stärke.

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«I am responsible» als Maxime für ein soziales Miteinander in Nachhaltigkeit – unabhängig von Bildungsstandard, Religionszugehörigkeit, kultureller Herkunft und gesellschaftlichem Status – setzt empathische Fähigkeiten voraus. Denn wer sich als mitverantwortlichen Teil eines Ganzen sieht und dementsprechend funktioniert, schützt die Familie, bringt sich aktiv ein in die Gesellschaft, achtet auf die Folgen seines Denkens und Handelns, ist kooperativ, weil über reine Machtausübung keine «I am responsible – Miteinander-Verantwortbarkeit» möglich ist. «I am responsible» respektiert das DU und schafft das WIR als Konsequenz aus dem eigenen Stehvermögen heraus. Ja, es fordert gleicher-massen das «I am responsible» des DU – und wo beide miteinander sich als Teil eines Ganzen sehen, entsteht synergetische Unabhängigkeit nach dem Motto „Gemeinsam eigenständig“. Was wollen wir mehr?

© David McLion 2012

© David McLion 2012

My home is my castle

Damit Sie, lieber Leser, die Null und die Eins in ihren zentralen Funktionen beim Bau eines noch jungen Weltbildes Ihren Kindern erklären können, hier ein letztes Beispiel:

Wenn wir uns die Welt einmal als ein aus Backsteinen gemauertes Eigenheim vorstellen und einzelne Backsteine als jeweils EIN-Stein, so entspricht der Fugen-Mörtel der NULL. Die Null verbindet, gleicht Spannungen aus, trägt Sorge dafür, dass das Ganze zusammenhält. Der Mörtel als Pufferzone, als Zwischenraum im Mauergefüge. Der Mörtel als das überspachtelte, unsichtbar verbindende Element. Und da wir schon gerade beim Mauern sind, dann vergleichen wir Maueröffnungen doch gleich mal mit Fenstern und Türen. Fenster gewähren sowohl Ausblick als auch Einblick, lassen Licht und Luft herein. Man öffnet sie, um Frische rein- und Abgestandenes rauszulasssen. Und Türen? Sie empfangen sowohl Gäste, laden ein, bitten herein – und bieten gleichsam Schutz vor ungebetenen Gästen…

Inhalt des Buches QUO VADIS Homo bene figuratus?

Über das (Un-)Wort des Jahres 2012: “Rettungsroutine”

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

  • Griechenland, die erste …
  • Europa, die zweite …
  • Deutschland, die letzte… 

Kürzlich hatten  in Neuseeland die “ Hobbits“  Weltpremiere und liessen ihre phantasievollen Fabelwesen wieder auf die Öffentlichkeit los. Peter Jackson führte in dem Fantasy-Streifen Regie und liess die Herzen seiner Kinobesucher höher schlagen.

Die (wirtschafts- und finanzpolitischen) Hobbits sind auch in Europa los und treiben dort ihre phantasievollen Eskapaden. Täglich erleben wir neue Film-Episoden aus dem Tollhaus EU-politischer Rettungsmanie und wissen nicht einmal, wozu sie gut sind. Die Nationalökonomie traditioneller Prägung muss neu erfunden und geschrieben werden, denn J. M. Keynes ist für uns alle längst gestorben. Und sein Credo hat keine Bedeutung mehr. Die Europäer, und solche, die sich dazu zählen, lehnen sich in Wohlgefallen zurück, um den rettungserprobten Politikern bei ihrer Schaustellerei zuzusehen. Und von Zeit zu Zeit zu applaudieren oder mit Buh-Rufen zu versehen, wie bei allen Theaterstücken auf der Welt.

Das Beruhigungs-Placebo „Wir sind auf einem guten Weg“ hat Wirkung gezeigt und wird routiniert und gekonnt dort eingenommen, wo der Patient zur Kränkelung neigt. Der gute Weg ist bis heute nicht verifiziert und durch nichts bestätigt. Im Gegenteil. Die Ruhe ist tückisch und nicht nachhaltig. Entsetzen und Hilflosigkeit machen sich breit, ohne dass Pflastersteine in Berlin, Brüssel, Luxemburg oder anderswo fliegen. Rettungsschirme, Rettungsaktionen und andere Rettungsversuche werden inzwischen goutiert, wie Fussballergebnisse und niemand hinterfragt ernsthaft, was eigentlich passiert, wenn etwas passiert.

Das Wesen Gollum, ohne Anspielung auf irgendwelche Ähnlichkeiten, treibt auch auf den Finanzmärkten und den politischen Parketts sein Unwesen und führt seine Wegbegleiter in die Irre. Niemand weiß, wohin die Reise geht und welches Ziel angesteuert wird. Die Einen melden Bedenken an, die anderen scheren aus und wieder andere Mitläufer fühlen sich ohnmächtig und zum Mitmachen verdammt.

Griechenland, die erste mit seinem mageren 3% Anteil am europäischen Bruttosozialprodukt, ist eigentlich von seiner wirtschaftlichen Bedeutung kaum der Rede wert. Auf dem Korruptionsindex findet es sich nach jahrelangen Rettungsaktionen auf dem letzten Platz der EU. Also auch kein Grund, gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen. Die Geretteten fühlen sich nicht gerettet, sondern unterdrückt und bevormundet von einer Gruppe europäischer Nordlichter, die bis heute noch nicht verstanden haben, was den Schiffbrüchigen im Mittelmeerraum tatsächlich langfristig hilft. Um im Bild zu bleiben, sie müssen schwimmen lernen, um im Notfall sich selbst zu retten und den Rettenden auch zu zeigen, dass sie gerettet werden wollen.

Das neue (Un-)Wort der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ bringt es auf den Punkt. Mit dem Wort „Rettungsroutine“ wird deutlich, dass die reale Politik in Deutschland und die der europäischen Rettungsvasallen sich von den politischen Diskussionen wirkungsvolleren Strategien längst entfernt hat. Es geht, so hat es den Anschein, nur noch um Rettung, egal, wann und in welcher Höhe und aus welchen Töpfen. Es geht nicht mehr um Lasteninzidenz der eigenen Steuerzahler und um Visionen und Zukunft für das eigene Volk. Rettung ist eben etwas moralisch Unumstössliches und kann daher von Niemandem infrage gestellt werden, es sei denn, er nimmt in Kauf, vor der Weltöffentlichkeit an den Pranger gestellt zu werden. Bitte nicht nochmal ein Shoa-Trauma. Eurokrisen beschwören nur die rückwärts Gewandten, die Akteure selbst üben sich in Gewohnheiten.Wir gehen inzwischen routiniert zur Tagesordnung über, weil wir im politischen Aktionismus unser Heil suchen und nicht in den verantwortungsbewussten Fragestellungen, die für die Leistungsträger dieser Zahlungsgemeinschaft von nachdenkenswerter Bedeutung sind.

Das Wort Rettungsroutine drückt sehr schön die Gegensätzlichkeit aus, die in den Herzen der sogenannten Verantwortlichen sich breit gemacht hat. Rettung ist etwas Positives, Routine lässt auf handwerkliches Können schliessen. Beides ist nicht gegeben. Gerettet wird noch in den nächsten Jahren und Routine schleicht sich allenfalls ein, wenn es um Wiederholungsprozesse geht. Dieses Wort birgt Gefahren und diese werden nur von jenen erkannt, die noch wissen, was sie tun. Die erprobten EU-Gipfel lassen eine gewisse Routine mit dem Umgang der Schuldenländer erkennen. Sie hinterfragen nicht mehr, wer das alles bezahlen soll. Der Ruf nach Bankenaufsicht soll Schlimmeres verhindern und soll Zweifler beruhigen. Die Europäische Bankenaufsicht ist ähnlich durchlöchert wie ein Schweizer Käse, weil die Bankenlobbys es verstanden haben, das Raster so weit zu öffnen, dass die Mehrheit der Banken von ihr überhaupt nicht erfasst wird. Alles ist bruchstückhaft und niemand weiss ernsthaft, was im Falle neuer und schwererer Krisen geschehen soll.

Wenn in Deutschland die letzte Klappe fällt, das Wachstum einbricht und die unendliche Rettungsgeschichte ein Ende findet, dann kommt der Tag, an dem wir selbst vor der Frage stehen, rettet euch selbst ihr Routiniers. Auf fremde Rettungshilfe ist dann jedenfall kaum zu zählen. Zudem ist es schon erstaunlich feststellen zu müssen, dass ein EZB Präsident von seiner Umgebung hochgelobt wird, weil ihm die Idee des Rückkaufs altgriechischer Schuldverschreibungen mit einem Drittel neuen Geldes gekommen ist, ohne dabei nur zu ahnen, wie gefährlich ein solcher „Schuldenschnitt“ tatsächlich ist. Liegt der Wert des „Euro nuovo“ nur noch  bei einem Drittel der gegenwärtigen Währung? Müssen wir uns bereits daran gewöhnen, dass wir zwei Drittel unserer Währung abwerten müssen? Ist dieser Vorschlag ein mediterranes Entgegenkommen, den Anfang eines Endes einzuläuten, von dem wir noch nicht wissen, wann das Ende kommt?

Nichts hat sich auf den Casino-Ständen unserer Finanzmärkte geändert. Sie gamblen weiter so, wie ehedem und fürchten sich nicht vor einem neuen Kollabieren. Alles erstarrt in lächelnder Routine nach dem Motto: fröhlich geht der Euro zugrunde und wenn er das tut, sind wir routiniert und erprobt genug, das zu verhindern.

Ich bin mir nicht sicher, ob bei der Kürung dieses Wortes „Rettungsroutine“ auch der Gedanke Pate stand, dass dieses Wort eine ganz gefährliche Mischung in sich birgt. Es zeigt nämlich, dass wir ausnahmslos alle der Unkenntnis und der Hoffnungslosigkeit unterliegen, was mit uns geschieht und was werden soll. Es fehlt die Transparenz wegen der verbreiteten Unkenntnis und der Sorge, dass nach ihr immer mehr Hilfe von immer mehr Ländern gefragt und gefahndet wird. Medien und Politik haben sich als Fragesteller schon lange verabschiedet und stecken den Kopf in den Sand. Es ist aber eine der vornehmlichsten Aufgaben demokratisch legitimierter Regierungen in zivilisierten Ländern den eigenen Bürgern und Wählern, die Wahrheit um die Vorgänge in der Finanzkrise nicht vorzuenthalten. Es reicht nicht der Ausruf, wir lassen Griechenland und Europa nicht Pleite gehen, es würde reichen, den Preis zu nennen, der von uns eines Tages gezahlt werden muss und was es bedeutet, sich in routinierten Rettungsaktionen verloren zu haben.

Wenn die letzte Klappe fällt, der Film zu Ende geht und die Hobbits wieder in ihren Höhlen verschwinden, dann sollten wir nicht wehklagen. Wir haben  schliesslich unübersehbare Rettungsaktionen gestartet, auch wenn wir dabei zu spät erkannt haben, dass es sich nur um Placebos und  teure Lebensverlängerungen handelte. Geben wir also unserer Zuversicht Raum, dass in dieser Wortschöpfung auch Besinnung über das liegen kann, was wir zu verantworten haben.

Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Verantwortungslose Wirtschaftsethik

Mail vom 20.11.2012 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community 

Erinnern wir uns.

Prof. Dr. Joachim Kohlhof
Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Wir wundern uns bis heute, dass in den Chefetagen von Banken und Wirtschaftsunternehmen ethische Handlungsmaxime bisher so wenig Eingang gefunden haben. Bis auf wenige Ausnahmen können Wirtschaftsbosse mit ethischen Normen und Standards in ihrem täglichen Drang nach Gewinnmitnahmen und ihrer Gier nach noch mehr Einkommen, Boni und Remunerationen nichts anfangen. Ja, sie wissen häufig nicht einmal, womit sich Wirtschaftsethik überhaupt beschäftigt und ob das ein Thema ist, das sie überhaupt berührt.

Es ist erschreckend festzustellen, dass Betriebe und Organisationen, staatlicher und privater Provenienz der Ethik in ihrem täglichen Business nicht nur aus dem Wege gehen, sondern sie bewusst ignorieren und entsprechende Einwände von Mitarbeitern als Grund zur persönlichen Abstrafung benutzen. Wer Ethik im Betrieb von seinem Arbeitgeber einfordert, hat zumeist einen schweren Stand, auf der Hühnerleiter seiner Karriere rasch eine Sprosse höher zu kommen.

Auch in den Hochschulen wird die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit ethischen Fragen bis heute eher stiefmütterlich behandelt und nicht in den Kontext betriebswirtschaftlicher Überlegungen gestellt. Der notwendige übergreifende Spannungsbogen von Ethik und Betriebswirtschaft wird bewusst ausgeklammert, weil seine Spannkraft nicht erkannt, übersehen oder noch schlimmer noch negiert wird. Wenn einzelne Hochschulen sich rühmen, ethische Lehrprogramme in Bachelor oder Masterstudiengänge einzubauen, dann geschieht das zu recht, weil es immer noch eine Ausnahme ist. Sie  lässt nämlich erkennen, dass eine gedeihliche unternehmerische Zukunft ohne Ethik nicht denkbar ist. Wenn aber junge Absolventen kein einziges Mal während ihrer Hetze nach schnellem und gutem Examen keine Berührung mit unternehmensethischen Normen kennengelernt haben, dann sollte es nicht wundern, dass sie am Ende der Fahnenstange ihres beruflichen Werdegangs auch keine nennenswerte Defizite in ihren Handlungsmaximen erkennen. Was Hänschen nicht lernt, wird Dr. Hans in seiner Mitarbeiter- und Unternehmensführung kaum nachholen können.

Ernsthafte Versuche, auch Vorständen und Geschäftsführern ethische Umgangsformen näher zu bringen, scheitern oftmals daran, Rationalität, Sinn und Verstand mit Moral und Anstand in Einklang zu bringen. Das setzt bereits bei der Frage an, wo beginnen korruptive Machenschaften und ist das eigene Einkommen und dessen Absicherung im Hinblick auf die erbrachte oder zu erbringende Leistung überhaupt vertretbar und moralisch gerechtfertigt. Das Verhalten vieler Wettbewerber im Markt hat mehr mit Marktkampf, Marktstrategie und Marktsieg um ihrer selbst willen zu tun, als um eine dem Menschen und seinen Bedürfnissen dienende Vorgehensweise, die das Überleben aller sichert und nicht nur derer, die am Rüpelhaftesten in Presse, Medien und der Öffentlichkeit auftreten.

Wer die Ethik nicht kennt, kann auch nicht nach ethischen Tugenden handeln und nach ihnen bewertet werden. Langsam beginnt der Gedanke sich breit zu machen, jungen Leuten die Augen für maßvolles Verhalten, vertrauensbildende Verhaltensweisen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu öffnen. Wenn die Abweisung jeder persönlichen Verantwortung von Politikern, Ministern, Wirtschaftsführern zur ständig praktizierten und gewohnten Einübung wird, weil sie sonst mit haftungsseitigen Konsequenzen oder irgendwelchen Karriereeinbussen zu rechnen haben, darf es nicht wundern, dass diese üblen Vorbilder noch üblere Abziehbilder kreieren und Staat und Gesellschaft ihren Kredit verspielen.

Es wäre heute dringend notwendig den Investmentbankern, die täglich mit Milliardenbeträgen jonglieren, die Gefahren aufzuzeigen, die mit dem Abzocken fremder Gelder verbunden sind oder den Textilproduzenten mit ihren wunderschönen Einkaufspalästen ihre Manufakturstrategie in Bangladesh zu hinterfragen, wo es um minimale Centartikel geht, die für gutes Geld andernorts teuer verkauft werden. Ein Manager, der in jungen Jahren etwas über ethische Grundhaltungen während seiner Studien gehört hat, wird sich schwer tun, eine solche Geschäftsstrategie zu verfolgen.

In allen Bereichen unseres bunten Lebens liessen sich tausende von Beispielen finden, die unsere Welt immer ein bisschen schlechter machen und dabei keine Gewissensbisse bei Produzenten und Konsumenten entwickeln. Hierzu gehört die Bereitschaft zu einer positiven Konfliktkultur, der wir uns alle verweigern. Die immer wieder vorgetragene Entschuldigung, dass die Welt immer vernetzter und komplexer wird, und dass man sich aus diesem Geleitzug nicht entfernen könne, heißt im Umkehrschluss, wenn alle lügen und betrügen, müssen wir mitmachen, sonst gehen wir selbst unter. Wertschöpfung, das allzu sehr beschworene Credo unserer strapazierten Marktwirtschaft, wird dann zur Farce, wenn sie mit Mitteln erarbeitet wird, die unmenschlich, unsozial und ungerecht sind. Auf solche Wertschöpfungsprozesse sollten ethisch ausgerichtete Unternehmen und Unternehmer verzichten. Wenn unsere akademische Jugend und der handwerkiche Nachwuchs keine Chance haben zu erfahren, welche Gewinnpotentiale in fairen und anstandsgerechten Konfliktlösungen stecken, die auf Kooperation und Compliance fußen, dann können noch so viele Managementkonzepte erarbeitet werden, die am Ende alle fehlschlagen. Die vergangenen letzten zwanzig Jahre legen ein beredtes Zeugnis darüber ab, was gelehrt und was umgesetzt wurde. Nämlich engpassorientierte Konzeptionen, die immer nur einen Engpass im Fokus hatten und den mitarbeitenden Menschen lediglich als Mittel zum Zweck missbraucht haben.

EKS, Kaizen, lean management, um nur einige Theorien zu nennen, haben mehr verunsichert als sie den Unternehmen geholfen haben. Umgekehrt ist zu konstatieren, dass die Einhaltung ethisch selbst formulierter Codizes in betrieblichen und organisatorischen Gemeinschaften das Zusammenrücken der Mitarbeiter erheblich mehr gefördert hat, indem sie nach ihren Befähigungen eingesetzt wurden, so dass die meisten Beschäftigten ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt und niemand überfordert oder unterfordert wurde.

Der Wirkungsgrad einer Arbeitsgemeinschaft ist dann am höchsten, wenn die Friktionen am niedrigsten sind. Und daran zu arbeiten, ist eine der vornehmsten Aufgaben eines verantwortungsbewussten Managements. Dies wäre auch die Mühe von Hochschullehrern wert, die Studierenden auf diesen Weg zu bringen oder zumindest ihnen zu helfen, diesen Weg für sich und ihr Leben zu erkennen und einzuschlagen. Dann kehrt die Ethik wieder dorthin zurück, wo sie herkommt, indem sie versucht, den ganzen Bereich menschlichen Handelns und Wirtschaftens zu umfassen und menschengerecht zu steuern.

Mail vom 20.11.2012 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

„ETHIK“ – (nur) Eine THeorie Im Kopf?

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Ich will gerne auf die Einlassung des Lehrers antworten, der sich skeptisch über die Ethik ausgelassen und sie als eine „Theorie im Kopf“ bezeichnet hat. Für mich ist es erschreckend festzustellen, mit welcher ignoranten Erkenntnishaltung Lehrer auf unsere Jugend entlassen werden, welche dann im weiteren Leben gegen alle Widerstände besseren Wissens vermittelt werden soll. Hier werden bereits die Probleme gesät, mit der sich später die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Medien und die Wissenschaft auseinandersetzen müssen. Bereits das verharmlosende Plagiieren und die unwissenschaftliche Übernahme fremden Wissens zeigen einmal mehr, woran es in den Bildungseinrichtungen offensichtlich hapert.

Ethik ist keine Theorie im Kopf. Es hört sich zwar spaßig an und geht sofort in den Kopf rein, aber wie gefährlich solche Simplifizierungen sind, zeigt, dass solche proverbs ein Leben lang im Kopf verankert bleiben. Man bekommt diese Idee nicht mehr heraus. Alles ist zunächst immer graue Theorie, wenn sie nicht durch die Natur, Mitwelt oder Gesetzmäßigkeiten bestätigt wird. Noch einmal:

Moral ist die – in einem bestimmten Sozialsystem, einer Gruppe / Organisation, einem Unternehmen, tatsächlich geltende und erzwingbare Norm. Moral spiegelt ein gesellschaftliches Niveau wider, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt besteht. „Herrschende“ Moral kann von einem bestimmten Partner, Gruppenmitglied, Teamangehörigen etc. verlangen, dass man sich nach den vorgegebenen bzw. herrschenden Prinzipien zu verhalten hat. Eine Fußballmannschaft, die eine hohe „Moral“ zeigt, demonstriert, welche Werte für den Einsatz in diesem Spiel Geltung haben. Es geht um die Tatsächlichkeit, nicht um das Wünschens- oder Begehrenswerte.

Moral beschreibt also, welche Werte, Normen und Verhaltensweisen (Einsatz bis zum Umfallen) in einer Gemeinschaft / Gesellschaft wirklich, effektiv und tatsächlich gelten. Sie ist stets ein Ergebnis bestimmter historischer Lebens- und Machtprozesse. Diesbezüglich gibt es auch eine Moral in kriminellen Vereinigungen. Auch die Mafia kennt eine Moral, weil die dort geheiligten „Werte“, die für alle Mitglieder gelten, tatsächlich praktiziert und umgesetzt werden müssen.

Was unterscheidet nun die „Ethik“ als „Theorie im Kopf“ gegenüber der oben beschriebenen Moral?

Der wesentliche Unterschied zwischen den häufig synonym verwendeten Begriffen von Moral und Ethik liegt darin, dassEthik nach den Grundsätzen und Prinzipien für ein bestimmtes Verhalten fragt (auch nach den von der Mafia begangenen Morden und der damit praktizierten Moral). Ethik sucht nach der methodisch geleiteten Besinnung und Begründung auf die tatsächlich geltende Moral. Eine Begründung für unmoralisches Verhalten wird es daher aus ethischer Sicht bzw. mit ethischer Begründung nicht geben können. Ethisches Verhalten verlangt nach einer menschlichen Begründung. Insofern weichen beide Begriffe, wenn ihr zugrundeliegendes Verhalten nicht begründbar ist, erheblich voneinander ab.

Um in der Diktion des Lehrers zu bleiben, ist die Ethik die Lehre bzw. Theorie von der menschlichen Verantwortung mit dem Versuch, diese zu begründen. Ethik ist daher gefährlich. Sie verunsichert den handelnden und irritiert den Analysten. Sie setzt eine tiefe menschliche Erkenntnisfähigkeit voraus, das Verantwortungsvolle zu tun und das Richtige zu sagen. Ethik stellt in frage und prüft genau, welche Werte, Normen und menschliche Tugenden begründbar sind. Sie ist somit auch eine Reflexion über unser (Da)-Sein und unser menschliches Miteinander in den Kristallisationspunkten unserer menschlichen Sozialisation.

Aus dieser „Theorie im Kopf“ dürfen dann auch die Wissensvermittler ableiten, ob sie der Ethik mehr als nur einen theoretischen Baustein in ihrem Lehrgebäude einräumen oder nicht.

Mail vom 12.04. 2011 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Ethik-Kommission zum Atomausstieg

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Die vorauseilende deutsche Angstphobie über die Nutzung von Atomstrom hat sich nun in der Einberufung einer Ethik – Kommission Luft gemacht.

Zur Abstützung ihrer Wendepolitik hat die Bundesregierung einen Arbeitskreis gebildet, den sie sicherlich nicht zuletzt aus wahltaktischen Gründen, unverbindlich und trotzdem klangvoll „Ethik-Kommission“ nennt. Das Gremium ist im Wesentlichen zusammengesetzt aus Vertretern von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Kirche. Den Angehörigen dieses Arbeitskreises kommt auch in dieser Reihenfolge die entsprechende Bedeutung ihres Gewichtes zu.

Wie Politiker „ihrer“ Ethik folgen wollen, bleibt für die entsendenden Parteien und für die entsandten Politprofis ihr Geheimnis. Die Ethik wird von der Politik immer dann bemüht, wenn sie selber eine gewisse Ratlosigkeit mit einem entsprechenden Hilfsbedürfnis verspürt und die Ethik als Feigenblatt dazu benützt, hinter dem sie ihre eigene Unentschlossenheit zu kaschieren versucht. Alle teilnehmenden Politiker hängen am Gummiband ihrer Amme, nämlich ihrer Parteien, von denen sie ihre Direktiven erhalten und die sie umzusetzen haben. Eine freie, nur dem Gewissen unterfallende Meinungsbildung passt nicht in das Konzept der parteipolitischen Strategien.

Die Gruppe der Politiker spiegelt auch insofern das Parteienspektrum wieder, so wie  es uns vom parlamentarischen Verteilungssystem bekannt ist. Dieser „Energie-Arbeitskreis“ soll nun eine Wende im Energiekonzept der bisherigen Politik herbeiführen und ihr mit Augenmass eine Sinnwendung verleihen, die zu keinem politischen Ansehens- und  Gesichtsverlust führen darf. Die Energiepolitik und der angedachte Atomausstieg sollen über das Gremium gewissermaßen auf eine höhere Ebene angehoben werden. Natürlich sind die Politiker dazu verdonnert, alles zu vermeiden, was nach Fehleinschätzung, falscher Einsicht und notwendiger Umkehr in ein verändertes Energiekonstrukt einmündet.

Alle ihre Einlassungen und Einschätzungen dienen dem Hauptzweck, in der Öffentlichkeit und damit bei den Wählern den Eindruck einer verläßlichen und folgerichtigen Energiepolitik zu hinterlassen – und weil nur das zählt. Die Orientierung am eigenen Wahlerfolg hat oberste Priorität und darf nicht infrage stehen, auch wenn es um gesamtwirtschaftliche Sicherheitsfragen, um Auswirkungen des Atomausstiegs auf den Klimaschutz, den möglichen Strom-Import oder um Versorgungsprobleme oder gar um neue Kohlekraftwerke geht, die den damit verbundenen konkreten CO2 Ausstoß wieder erneut entfachen.

Es darf durchaus nach dem Sinn der Entsendung von Berufspolitikern in diese Kommission gefragt werden, wenn man dem Eindruck nicht unterfallen will, dass nicht wieder einmal der Bock zum Gärtner gemacht wird und alles so bleibt, wie es die Politik schon längst entschieden hat.

Die Sendboten der Wirtschaft in diesem Gremium haben einen eindeutigen Auftrag, denn ihr Gewissen orientiert sich ausschließlich an der Frage, was sich für sie rechnet und was nicht. Sie sind reine Interessenlobbyisten und haben nur jene Energieträger im Fokus, die ihnen einen günstigen Einkauf sichern. Die Angehörigen der Atomindustrie wollen naturgemäß jede radikale Wendung auf andere Energielieferanten vermeiden um die Brückentechnologie noch lange für sich nutzbar zu halten, solange es für sie sich rechnet und die gigantischen Investitionen in die Atommeiler nicht zu herben Abschreibungsverlusten führen. Sicherste Atomkraftwerke abzuschalten, die der Wirtschaft, den Verbrauchern und dem Ausland bisher preisgünstigen Strom bescherten, bauen naturgemäss eine Druckkulisse auf, die einerseits zu massiven Energiepreiserhöhungen führt und andererseits einen ausgewogenen Energiemix vermissen lässt. Argumente also, die von den Gegnern des Atomstroms kurzfristig nur schwer entkräftet werden können, wenn sie nicht bewusst hysterisch auf die Ereignisse von Fokushima reagieren wollen. Die Steigerung der Strompreise aus alternativer Stromgewinnung ist vorhersehbar und bindet naturgemäß einen wachsenden Teil der Kaufkraft  der privaten, industriellen und öffentlichen Haushalte. Im Warenkorb der Stromabnehmer findet ein Verdrängungswettbewerb statt, der die Kaufkraft für nicht substituierbare Energieprodukte reserviert und die übrige Kaufkraft für bisher freie Verwendungen bzw. Investitionen schmälert. Natürlich werden andere Wirtschaftszweige von diesen Veränderungen im Kaufkraftverhalten mittelbar und auch unmittelbar betroffen.

Letztlich müssen auch deren Kosten für ausfallende Verkäufe und ausbleibende Investitionen als externe volkswirtschaftliche Kosten, dem Atomausstieg angelastet und den ersetzenden Energieträgern hinzugerechnet werden. Inwieweit sich diese Prozesse auch auf Arbeit und Einkommen auswirken, vermag natürlich eine solche Kommission nicht sachkundig einzuschätzen. Die totale Sicherheit vor Atomstrom gelingt nicht zum Nulltarif und wird am Ende von allen bezahlt werden müssen, die sich für ein Heil in erneuerbare Energieformen stark gemacht haben. Sicherheitsaspekte sollen und müssen in der Meinungsfindung eine wesentliche Rolle spielen. Dabei darf man aber auch nicht außer Acht lassen, dass auch bei der Herstellung von (Kampf-)Flugzeugen, Waffen, Autos, Gezeitenkraftwerke oder Windkraftanlagen, sowie flächendeckenden Solarlandschaften Restrisiken bestehen, die bei sachgemäßer Nutzung auch nicht zur Gänze auszuschließen sind. Häufig wird das Kind sofort mit dem Bade ausgeschüttet und es bleibt Ahnungslosigkeit und Verwirrung zurück, wenn  alle Katastrophen-Szenarien dafür herhalten müssen, sich für den einen und gegen den anderen Energieträger auszusprechen.

Natürlich wittern Wirtschaft und Investoren erneuerbarer Energien politisch motivierten Morgenduft und freuen sich über Kursgewinne, denen allerdings noch das reale underlying fehlt. Insofern wundert es nicht, dass schon wieder ehemalige Ekelpakete aus der mumifizierten Dallas-Serie als Werbeikone dafür herhalten müssen, die Sonnenenergie wieder als verheissungsvolles  Licht am Horizont einer blühenden Zukunft erstrahlen zu lassen. Es wird mit neuen Arbeitsplätzen durch die erforderlich gewordenen Investitionen in erneuerbare Energie geworben, die der Arbeitsmarktpolitik nicht unverborgen bleiben und die Landschaftsgestalter von den Bergen bis zum Meer warten gerade zu darauf,  Flächen für Windkraftanlagen, terrestrische Fotovoltaik- und Solarlandschaften anzubieten. Sicherheit hat ihren Preis, sicherlich auch den der großflächigen Verschandelung  von Bergen, Wiesen und Wäldern und der Vergewaltigung von kulturvollen Einrichtungen und Regionen. Die Preisgabe „blühender“ Erholungsräume und die Einschränkung bisher freier Zugänge durch flächenmäßig großräumig abgesperrte alternative Stromgewinnungsanlagen dürfen dann auch nicht als notwendige Kollateralschäden des Atomausstiegs angeprangert werden.

So stehen sich die ernannten „Wirtschaftsethiker“ unversöhnlich gegenüber  und beklagen die mangelnde Einsicht des Wettbewerbers. Das Ergebnis ist ambivalent. Jeder bringt sich in Position und erhofft durch beabsichtigte und unbeabsichtigte Wahlhilfen, Steilvorlagen für die Politik zu liefern, aus denen dann der erhoffte Klientenerfolg wird.

Banken sind in der Ethik-Kommission nicht vertreten. Ihr Metier ist gegenwärtig  ethischen Fragen noch nicht zugänglich. Die Bankenethik wird von den Geldhäusern nach wie vor gemieden und nur wenige Institute sind von der geschäftsfördernden Praxis durch ethische Ausrichtung überzeugt. Gerade die überstandene Finanzkrise hat einmal mehr gezeigt, wie internationales Banking mit der Ethik auf Kriegsfuß steht und einfach nicht zusammenpassen. Ihre Beteiligung an der Kommission würde daher eher kontraproduktiv wirken, weil unabhängig von Ausstieg oder nicht, ihr geschäftliches Interesse nur darauf abhebt, die Investments danach zu beurteilen, wie und wo am schnellsten Kursgewinne zu realisieren sind und künftige Beteiligungen im Rahmen von privat banking oder privat equity sich am ehesten lohnen. Eine hilfreiche Mitarbeit von Bankenvertretern wäre demzufolge auch nicht zu erwarten.

Die in die Ethik Kommission berufenen Gewerkschaftsmitglieder verstehen sich zu Recht als elementarer Bestandteil eines grundrechtgesicherten Sozialgefüges, das im Laufe der Geschichte dem Gesetzgeber bereits viele ethisch-wertvolle Gesetze abgerungen hat. Sie sind der wirkliche Ansprechpartner, wenn es um Verbesserung der Lebenschancen und der Steigerung der Wohlfahrt geht. Tarifauseinandersetzungen und andere gewerkschaftsseitge Aufgabenstellungen sind der Demokratie wesensimmanente Rechte, ohne die ein Volkskörper die Zukunft nicht sichern kann. Die Gewerkschaften haben kein Problem mit dem Atomausstieg. Ihr Herz schlug immer schon für erneuerbare Energien, auch wenn Spitzenmanager der Gewerkschaft durch enge personale Anlehnung an die traditionellen Energieträger nicht zuletzt persönlich davon profitiert haben.

Die Sorge um den Erhalt alter Arbeitsplätze und die Aussicht auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch den Ausbau erneuerbarer Energiequellen treibt die Gewerkschaften immer dann in die Lager von Investoren, wenn neue Innovationen angesagt sind. Obgleich es noch lange nicht erwiesen ist, dass durch den Ausstieg aus der Atomkraft und den  Einstieg in den Ausbau alternativer Energien eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze überhaupt entstehen wird und die sich daraus ergebenden Konsequenzen ableiten lassen, dass die Gewinne der Unternehmen deshalb unter Druck geraten, hat die Gewerkschaften schon frühzeitig auf die Seite der Atomgegner schlagen lassen. Ihre Mitglieder entdecken neue Chancen und die Gewerkschaftsvertreter neue Einflussnahmen. Die Arbeitgeberseite hat viel zu lange gezögert, berechtigte Anliegen zu ihren eigenen, unternehmerischen und ethischen Überlegungen zu machen und immer erst darauf gehofft, nach staatlicher Unterstützung zu rufen, wenn ihre Stromlieferungen existentiell bedroht schienen. Immerhin macht auch heute noch ein abgeschriebenes Atomkraftwerk täglich einen Gewinn von über eine Million Euro, sofern es noch am Netz ist. Da gilt es nach wie vor, eigene Positionen – auch gegenüber den Gewerkschaften – erbittert zu verteidigen.

Die Ethik der Gewerkschaften ist einfach und überschaubar: es frommt, was den Mitgliedern auf lange Sicht dienlich ist und ihren Einfluss auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer sichert. Es geht Ihnen sicherlich nicht so sehr um die gefahrdrohende Versorgungssicherheit durch Atomstrom, sondern in erster Linie um die Frage, wie der Energiewechsel gewerkschaftsorganisatorisch geräuschlos und zudem zielführend vollzogen werden kann. Dies ist ethisch zwar nicht sehr hilfreich, vermeidet aber unnötiges Konfliktpotential im Umgang mit anderen Arbeitgebern. Die Stellung der Gewerkschaften und ihre Bedeutung für ein zukunftsweisendes Gesellschaftsgefüge werden durch den Wechsel nicht eingeschränkt. Insofern können die Gewerkschaften getrost dem Energiewandel zustimmen, weil sie – auch nicht umwegsbezogen – mit Bedeutungsverlust rechnen müssen.

Die schwächste Gruppierung innerhalb der Ethik Kommission bilden die Vertreter der Wissenschaft. Ihnen, denen man eigentlich den wichtigsten Part in dem Gremium zugetraut hätte, kann man nur im ethischen Kontext mit deskriptiver Erfahrung aufwarten. Empirische Befunde, Wechselanalysen, Kostentransparenz, Verantwortungszuordnung bis hin zu glaubwürdigen Wissenschaftserkenntnissen liegen nicht vor. Wieso auch. Angewandte, empirische Ethik ist totale Fehlanzeige im deutschen Lehrprogramm. Hinter der Wissenschaft steht kein Wahldruck. Die politische Einflussnahme erstreckt sich allenfalls auf die Besetzung der Lehrstühle und auf – über das wissenschaftliche Ranking entscheidende Verteilungssystem – die Bereitstellung öffentlicher Gelder. Hochschulen, Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Institutionen haben es jahrelang versäumt, in der Lehre und in der Forschung, der Ethik jenen Raum zu geben, der – wie in der gegenwärtigen Situation – geeignete Antworten und Lösungen anbieten kann. Ethische Unterweisungen und ethische Vorgaben und Standards wurden vernachlässigt und das Feld Philosophen, Theologen, Medienvertretern und Ex-Politikern überlassen, die daraus persönlich Kapital geschlagen haben.

Wirtschafts-, Führungs- und Unternehmensethik galten lange Zeit für den Managernachwuchs als hinderlich und störend. Forschungsgelder wurden nicht bereitgestellt und viele Vertreter der Wissenschaft waren – bis heute nicht – vom Nutzen ethisch-ausgerichteter Wirtschaftsunternehmen überzeugt und der damit verbundenen menschengerechteren strategischen Ausrichtung von Unternehmen und Wirtschaft sowohl im Hinblick auf Konsumenten, Kunden als auch auf eigene Mitarbeiter bzw. die gesamte Öffentlichkeit. Bis heute fehlt es an einem geschlossenen System zur Bewertung von Unternehmen auf ihre ethische Substanz hin. Die Bedeutung der Ethik für Wirtschaft und Kultur, für Gesellschaft und deren moralische Beschaffenheit ist bis heute nicht Gegenstand geschlossener wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Wissenschaft übersieht die Gefahr der Notwendigkeit bisher unterlassener Ethikforschung, sie verkennt die positive Auswirkung der Ethik auf wichtige Zukunftsfragen und negiert ihren Nutzen für Menschen, Natur und Mitwelt. Wer Ethik bis heute nicht begriffen hat als einen elementaren Baustein im Gefüge des wirtschaftlichen, unternehmerischen und kulturellen Ganzen, der weist ihr einen Platz in der Gesellschaft zu, der ihrer fundamentalen Bedeutung nicht entspricht.

So ist auch die Namensgebung dieser Kommission mit einem Anspruch verbunden, dem sie im ethischen Sinn nicht gerecht werden kann. Anspruch und Wirklichkeit an ethische Vorgaben und Normen müssen daher zwangsläufig auseinanderklaffen. Die fehlende Einsicht in ethische Forschungsnotwendigkeit ist sicherlich nicht zuletzt auch der Grund dafür, dass es keine probaten Ansatzmöglichkeiten gibt – geschweige denn diskutable Rezepturen – der Wirtschaft aus Sicht der Wissenschaften begründete Verhaltensmechanismen anzubieten, die zu Wegen aus diesem Entscheidungsdilemma führen. Die Feldforschung steckt nicht einmal in den Kinderschuhen. Wie sollen da Schuhe bereits für Erwachsene angeboten werden? Wenn Hochschulen und Wissenschaften sich nur begreifen als Vorbereiter von akademischem Nachwuchs für eine Wirtschaft, der es ausschließlich um Nutzenoptimierung und maximale Gewinnorientierung geht, dann muss die Ethik zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Sie wird dann vergebens nach Antworten und Lösungen auf Problemstellungen suchen, die das desaströse und zum Teil menschenverachtende wirtschaftliche Verhalten ihrer Macher hinterlassen haben.

Es wäre schon ein Verdienst der Zusammenkunft der Kommission, wenn wenigstens in der Zukunft erkennbar würde, dass der Ethik in allen gesellschaftlichen Belangen wesentlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde, wie dies in allen gesellschaftspolitischen Belangen und nicht nur beim Atomausstieg notwendig wäre.

Die Namensgebung der Kommission ist eine Hommage an die Kirchen. Deren Vertreter sind in der absoluten Minderheit und weisen den Initiator der Kommission als jemand aus, der die Ethik irgendwo in den Bereich der Theologie ansiedelt. Die christlichen Kirchen, insbesondere die katholische Kirche – haben sich durch die päpstlichen Sozialenzykliken sozialethische Verdienste erworben. Die Sorge und die Verantwortung um das Seelenheil ringender Menschen bzw. Gläubige haben die Kirchen umtriebig werden lassen. Sie versuchen Antworten auf die Zeichen der Zeit zu finden, ohne selbst davon zu profitieren. Sie haben wie alle anderen gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen bedauerlicherweise ein Glaubwürdigkeitsdefizit, weil sie das, was sie predigen, selbst nicht halten und das, was sie denken, auch selbst nicht aussprechen (dürfen). Die Mitgliedschaft der Kirchenvertreter leitet sich auch deshalb aus der Notwendigkeit ab, dem christlichen Anspruch in den Parteiprogrammen halbwegs gerecht zu werden und die daher die Unterstützung der Vertreter der Kirchen zu suchen. Das sichert am Tag der Abrechnung die erwarteten Stimmen.

Durch das hohe Glaubwürdigkeitsproblem, insbesondere der katholischen Kirche im Hinblick auf den Umgang mit gelebter ökumenischer Gemeinsamkeit zusammen mit der evangelischen Kirche, die Auslegung erzkonservativer Dogmatik und das priesterliche Fehlverhalten in der Fläche, der Abzug von Geistlichen aus den Pfarreien und ausbleibende effektive Seelsorge der hilfesuchenden Menschen haben eine Mixtur entstehen lassen, die viele – nach wie vor an Gott Glaubende – aus der Gemeinschaft der Kirche austreten lassen. Gleichzeitig aber finden Selbstcelebrationen und Koncelebrationen mit einer Anhäufung von staffagierten Würdenträgern statt, so dass zuweilen der Eindruck entsteht, dass bei soviel Akkumulation von priesterlicher Ausschmückung in den klerikalen Zentren unserer Bistümer kein Priestermangel herrscht und dennoch niemand mehr für die Missionsarbeit vor Ort zur Verfügung stehen kann (und will). Man stelle sich einmal  ein Pontifikalamt in einer Industriehalle oder in einem profanen Lagergebäude vor; das würde doch nichts hergeben. Kurzum, die Kirchen werden ihrer Verantwortungsethik nicht gerecht und die Quittung erhalten sie tagtäglich durch die Leerstände der Kirchen, den fehlenden priesterlichen Nachwuchs und die unzeitgemäßen Verhaltensweisen ihrer Oberen.

Die Kommission wäre eine gute Plattform für kritische Töne und eine Rückgewinnung längst verlorener Positionen. Es wäre ein Podium für das Aussenden sozialethischer Positionen, selbst auf die Gefahr hin, dass den Kirchen der politische Wind entgegenblasen sollte. Die Kirchen müssen sich wieder ethisch finden und sollten erst dann wieder Normen formulieren, die auch vertrauensvoll und glaubwürdig transportierbar sind. Dann würde auch ihr Beitrag zum Ausstieg aus der Atomkraft in dieser Gesellschaft Gewicht haben und entsprechende Akzeptanz finden. Wenn es den Kirchen ernsthaft um das Seelenheil ihrer Gläubigen und um das Wohl aller Menschen geht, dann muss sie sich von opportunen Strukturen lösen und sich auf das besinnen, wozu christliche Gemeinden angetreten sind, zu dienen und nicht zu herrschen. Der Caesaropapismus moderner Prägung sichert zwar das Überleben der kirchlichen Institution, er geht aber an seinem ursprünglichen Auftrag vorbei. Die Chance, auch in der Ethik-Kommission für die Kirche punkten zu können, sollte daher nicht ungenutzt bleiben. Sie hätte dazu alle Voraussetzungen.

Als Résumé aus der bis Ende Mai tagenden Ethik Kommission der Bundesregierung lässt sich das Fazit ziehen, dass die Aufgabenstellung, nämlich die Suche nach einem breiten gesellschaftlichen Konsens vor dem Hintergrund des Umstiegs von der Atomkraft zu erneuerbaren Energien unstreitig und richtig ist. Ein geordneter – auch unter zeitlichen Dimensionen – akzeptabler Rückzug aus alten in neue Energiefelder ist notwendig und wünschenswert. In der allerdings vorgesehenen Zeit ist weder aus diesem Gremium noch aus anderen zur Verfügung stehenden Einrichtungen ein Ergebnis ableitbar, dass von Kirchen-, Gewerkschafts- Politvertretern eine Antwort erwarten darf auf etwaige Versorgungsprobleme, Auswirkungen auf den Klimaschutz und eventuellen Opportunitätskosten des Strom-Imports. Hier sind auch den „Weisen“ fachliche“ und berufliche Grenzen gesetzt.

Lassen wir es dabei bewenden, die Tatsache, ein gesellschaftliches Commitment zu finden, allein ist es der Mühe wert, den Druck aus der emotional geführten Diskussion zu nehmen. Mit Ethik im eigentlichen Sinn hat der Arbeitskreis wenig zu tun. Es ist lediglich die gute Absicht, die für ein gutes Ergebnis steht. Eine Ethik-Kommission, die es verdient hätte, diesen Namen zu tragen, hätte aus Persönlichkeiten bestehen müssen, die in ihrer Verantwortungsfindung für alle Bevölkerungsteile gleichermaßen unabhängig und prädestiniert sind, nur ihrem Gewissen verantwortlich sind und ausschließlich ihren menschlichen Erfahrungen und Eignungen vertrauen. Ethik hat mit Verantwortung für alle zu tun und nicht mit der Wahrnehmung von Detail- oder Individualinteressen. Sie gefährden einmal mehr die längst verlorene Glaubwürdigkeit in die Lenker und Denker dieser Nation. Menschengerecht zu leben, anstandsgerecht zu entscheiden und sachgerecht zu handeln, sind der Tribut, den wir alle unserer Gesellschaft zollen.

Beitrag vom 7. April 2011- Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

JU-LE-X-ME-MO

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Die jüngsten Ereignisse bei uns veranlassen mich, meine tiefe Scham über unser öffentlich-rechtliches Regierungsverhalten doch einmal zu dokumentieren:

Unter der Überschrift JU-LE-X-ME-MO kommen mir folgende Gedanken:

Deutsches Verfassungsrecht, wie auch internationales Recht, fußen auf der bekannten Gewaltenteilung, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Diese zu bewahren und zu beachten ist oberste Regierungsaufgabe und zugleich Messlatte für die übernommene Regierungsverantwortung, nach denen sich die meisten Politiker allerdings mehr aus Eitelkeit händeringend sehnen.

Die JUdikative als rechtsprechende Gewalt soll für ein von der Politik, d.h. von der Legislative und Exekutive unabhängige dritte Gewalt sicherstellen und stellt damit ein hohes Rechtsgut in jeder Demokratie dar.

Die LEgislative ist die von den Parlamenten ausgestattete gesetzgebende Gewalt, die das Soziale Gefüge des Staates sichert und die ordnende Räderwerk im gesellschaftlichen Zusammenleben der Bürger ermöglicht.

Die EXekutive als gesetzesausführendes Organ sichert und sanktioniert erlassene Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsakte, um den Willen der Gesetz- und Verordnungsgeber in die tägliche Praxis gesetzes- und verordnungstreu umzusetzen.

Inzwischen haben sich neben den drei Säulen klassischer westlicher Demokratien, faktisch weitere Säulen hinzugesellt, die aus modernen Demokratien nicht mehr wegzudenken sind, obwohl sie in den Demokratie-Verfassungen als solche nicht explizit erwähnt werden und verankert sind.

Es handelt sich um die MEdiative, die meinungsbildende Gewalt, die zum eigentlichen Korrektiv in einer Demokratie geworden ist und  deren Überwachungs-funktion über Missverhalten in den drei vorhergenannten Säulen zum wesentlichen Element eines funktionierenden Staatsgebildes geworden ist. Die traditionellen Säulen sind hierzu entweder nicht mehr bereit oder auch nicht willens, Missstände aller Art aufzudecken. Hierzu bedarf es unabhängiger Medien, die sich nicht als Steigbügelhalter unethischer Praktiken des Staatsapparates verdingt haben bzw. verdingen lassen.

Schließlich drängt in jüngster Zeit noch eine weitere Staatsgewalt ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Ich würde sie als MOneative Gewalt bezeichnen, weil sie abgeleitet ist aus der geldschöpfenden und geldvernichtenden Kraft des nationalen und internationalen Finanzwesens, die in der Lage ist, durch ihre gigantischen vagabundierenden Finanzströme nicht nur ganze Demokratien zu gefährden, sondern auch deren wirtschaftliche und damit demokratische Funktionen supranational außer Kraft zu setzen.Diese fünfte Gewalt ist im Grundgesetz der Bundesrepublik als solche nicht verankert, sondern nur die inzwischen wirkungslosen Barrieren eines ordnungs- und verfassungsgemäßen Finanzgebarens, dem sich  die meisten westlichen Demokratien ohnehin nicht unterworfen haben. Sie haben längst die verfassungsmäßig zulässigen Schranken überschritten und die selbst gewählten Beschränkungen ad absurdum geführt.

Wenn alle fünf Säulen in unabhängiger Weise das Einhalten demokratischer und dem Gemeinwohl verpflichteter Spielregeln beachten würden, wäre zumindest ein verträgliches Maß im Zusammenspiel demokratischer Gepflogenheiten erreicht. Die Loyalität der Bürger zu ihrem Staat wäre weitgehend gesichert und das Vertrauen in die Staatsorgane nicht nachhaltig erschüttert.

Die Realität ist eine andere

Die Wahl des Titels JU-LE-X-ME-MO deutet schon auf die enge Verquickung aller drei bzw. fünf Säulen grundgesetzlicher Mindestbedingungen hin. Es gibt inzwischen eine unselige Vermengung und Vermischung der demokratischen Gewalten untereinander und zudem eine personelle Verbindung von Angehörigen der verschiedenen Staatsgewalten, die nicht einmal davor zurückschrecken, gleichzeitig in mehreren Engagements normaler trennscharfer Interessenlager ihre Hände aufzuhalten bzw. ihr Interessenfeld sogar in der Öffentlichkeit abzustecken und wenn notwendig auch umzusetzen. Nichts ist undenkbar geworden. Da versuchen Spitzenfunktionäre von der Exekutive  in die Judikative umzuswitchen, die Einhaltung verabschiedeter Gesetze verwaltungsseitig als unbeachtlich einzustufen oder gar außer Vollzug zu setzen oder sich auf dem Ticket der Legislative oder der Exekutive in einer Weise persönlich zu bereichern, dass die Justiz nicht mehr nachkommen kann (oder will), kriminelle Vergehen zu ahnden. Die Macht korrumpiert sich selber und hebelt so die sie tragenden Verfassungselemente immer mehr aus. Sie verblendet sich vor der notwendigen Verantwortung, auch wenn diese verbal immer wieder als unumstößlich und nicht abdingbar gebetsmühlenartig eingefordert wird.

Es ist beschämend mit ansehen und mit anhören zu müssen, welche Respektlosigkeit sich im Staatsgefüge breitgemacht  hat. Es handelt sich eben nicht um eine positive Streitkultur, wenn sich demokratisch legitimierte Parteien  gegenseitig der Lüge, der Fahrlässigkeit und des öffentlichen Vertrauensverlustes bezichtigen. Immer mehr gewinnt der arglose Bürger das beklemmende Gefühl, dass in den Hinterzimmern der Macht Deals ausgehandelt werden, an denen die Angehörigen anderer Gewalten entweder erst gar nicht teilnehmen dürfen oder nur scheibchenweise informiert werden, so dass am Ende nur ein Zerrbild dessen entsteht, was nun tatsächlich entschieden wurde. Diese Hinterzimmerpolitik – offenbar auch im Atomkonflikt – ist  Ausdruck großer Unsicherheit und lässt vermuten, dass die Bevölkerung bewusst im Unklaren bzw. in Unkenntnis gehalten werden soll. Vorbilder agieren anders, sie kommunizieren und lassen an den Staatsaktionen andere Staatsträger mit teilhaben.

Es stellt sich überdies die Frage, wie der deutsche Außenminister, der zugleich Parteivorsitzender seiner Partei ist, die bisher kein Direktmandat erwerben konnte und nur über das Listenverfahren in den Deutschen Bundestag einziehen konnte, die demokratische Legitimation ableiten konnte, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sich gegen eine wirksame Parteinahme im Schulterschluss mit Frankreich, Großbritannien und den USA für die Interessen des geknechteten libyschen Volkes auszusprechen. Wenn die internationale Solidarität immer nur von anderen eingefordert wird und keine eigene Bereitschaft besteht zu helfen, weil immer nur eigene wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, dann verwirkt auch unser Land die solidarische Unterstützung, wenn es zu einem anderen Zeitpunkt ebenfalls um deren Beistand geht.

Menschengerechtigkeit verlangt, Hilfe dort anzubieten, wo sie dringend nötig ist und nicht unverständliches Taktieren auf dem Rücken der Schwächsten. Anstandsgerechtigkeit liefert keine Grundlage für Spekulationen. Sie kann nur dort erfolgreich sein, wo nicht einseitig Vorteile für das eigene Land erhofft werden, nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“. Sie geht immer von einer beiderseitigen Win-Win- Strategie aus, in der das libysche Volk seine berechtigten Rechte und Interessen einfordert und unsere Republik auf lange Sicht Vorteile aus der demokratischen Entwicklung dieses arabischen Landes zieht. Das Ausgleichsangebot für die eigene „Weder Fisch noch Fleisch-Politik“, in Afghanistan sich mehr engagieren zu wollen, geht voll an der Aufgabenstellung vorbei.

Schließlich ist als dritte Komponente einer nachvollziehbaren ethischen Haltung die Frage auch der Sachgerechtigkeit einer Enthaltungspolitik zu prüfen. Auch diese zielt ins Leere, weil eine „offene Hose Politik“ nur dem hilft, der nichts zu befürchten braucht, weil seine Unterdrückungsstrategie ihr Unheil in Folter und Tod fortsetzen kann.Gerade in Deutschland wäre eine eindeutige Positionierung zugunsten der Libyer wichtig gewesen, um durch das eigene Schicksal genügend motiviert zu sein, Diktaturen jedwelcher Art zu beenden und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zum Durchbruch zu verhelfen.

Von Verantwortung ist da wenig zu spüren. Dieses wirklich abstruse und unverzeihliche Abstimmungsverhalten zu Lasten des nach Demokratie rufenden arabischen Volkes zeigt einmal mehr, dass offenbar nur zahlende Klienten bei einer sich nach außen liberal gebenden Partei Aufmerksamkeit finden. Wer aber nach  allen Seiten hin offen sein will, kann auch kein geschlossenes Wahlprogramm anbieten, weil die Optionen für Alternativen bereits elementarer Bestandteil der eigenen Wahltaktik werden. Das Leben politischer und menschlicher Werte verlangt etwas anderes, nämlich Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit. An allem mangelt es. Deshalb ist auch jede demokratische Wahl zum Hasard geworden, weil die Kalkulierbarkeit nur noch für Klienten gilt aber nicht für die eigene Bevölkerung.

Die Bedrohung ständig in die parlamentarische Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, hat bedauerlicherweise nicht zur Erneuerung des maroden und anpassungsfreudigen Wertesystems geführt, sondern zu einer „immer so weiter Politik“, die den Wählern nicht mehr das notwendige Vertrauen abverlangen kann. Eine liberale Partei, die nicht selbst die Kraft zur Selbsterneuerung aufbringt, verwirkt ihren Anspruch, für ein ganzes Volk Verantwortung zu übernehmen. Deshalb sollte ein Frontmann, der lauthals und stramm die Werte unserer ganzen Gesellschaft anzweifelt, der erste sein, der im eigenen Haus damit beginnt. Und hier beginnt das Dilemma (…)

Aus einem Mail vom 19.03.2011 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Wertediskussion, Wettbewerb, Korruption

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Im Zuge der gegenwärtigen Wertediskussion erscheinen die traditionellen kulturellen, humanen und unternehmerischen Werte die einzigen bestandskräftigen Komponenten zu sein, die die Veränderungen der gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Welt überleben werden. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird nichts mehr so bleiben, wie es einmal war. Wir erleben zur Zeit dramatische Veränderungen durch die technologischen Entwicklungen, politischen Umstürze, die zu gewaltigen Umwälzungen führen und  den Dimensionen der vergangenen industriellen Revolution nicht unähnlich sind. Wir stecken noch in den Kinderschuhen einer Entwicklung, die wir noch gar nicht begonnen haben zu erahnen. „Mit dem einen Fuß im Marskanal, mit dem anderen im Neandertal“, so singt es treffend Udo Lindenberg und meint damit auch, dass wir noch nicht begriffen haben, wo wir eigentlich stehen und was wir eigentlich wollen.

Deutschland rangiert nach einer Studie von Transparency International in der Hitliste korruptiver Staaten in Europa im vordersten Feld. Wenn Korruption verstanden wird als „heimlicher Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen und Vorteil“ (TI), dann gehören hier alle Spielarten kriminellen Vergehens hinein, die sich tagtäglich im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Raum abspielen.

Wir sind bereits so weit, dass dieser Missbrauch nicht einmal mehr verheimlicht wird, sondern auf der Tagesordnung jeder öffentlichen Auftragsvergabe, jeder internationalen Akquisition in allen Teilen der Welt gehört. Die Revolutionen im arabischen Teil der Welt haben einmal mehr demonstriert, dass viele Gelder – auch die der Entwicklungshilfe – bei den Menschen offenbar vor Ort nicht ankommen, sondern auf den Konten der Machthaber landen, die Veruntreuungen in Milliardenhöhe gegen ihr Volk begangen haben. Nicht viel anders sind auch die Korruptionsvergehen im Inland zu bewerten. In einem Land, in dem vor nicht allzulanger Zeit noch Schmiergelder an Auftraggeber und Geschäftspartner als Betriebsausgaben behandelt wurden und damit die zu zahlende Einkommensteuer senkten, ist die Bestechung zum anerkannten Mittel geschäftstüchtigen Unternehmertums geworden. Große DAX-Unternehmen müssen sich immer wieder den Ermittlungen von Staatsanwaltschaften stellen, um entsprechende Vorwürfe auszuräumen.

Korruptionen entladen sich nicht nur in illegalen Transaktionen, sondern auch in gesetzliche Praktiken, wobei sie in letzteren als noch weniger unmoralisch empfunden werden. Korruptionsanfällig sind alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche. Diese finden sich bei den politischen Amtsträgern in den Amtsstuben und  Regierungspalästen ebenso wie in den Fluren öffentlicher Verwaltungen bis hin zu den  Verstrickungen in der Bauindustrie, der Rüstungsindustrie und aller anderen nicht namentlich erwähnten Wirtschaftsbereiche.

Korruption wird vielfach nicht als kollektives Übel angesehen, durch das das wirtschaftliche Wachstum gehemmt und nicht beflügelt wird, sondern persönliche Vorteilnahme lässt jedes Gespür für die damit verbundene Aussetzung wettbewerbsbewusster Regeln ausser Kraft setzen. Bei der Korruption geht es um Vorteile, die sich Unternehmen oder Personen aneignen, indem sie meist praeter legem Ausnahmen, Gefügigkeiten oder Begünstigungen jedweder Art vereinnahmen oder einfordern. Die Liste dieser Anreize für die Entgegennahme von Gefälligkeiten ist so umfangreich, wie der Wunschkatalog von Menschen nur sein kann. Umgekehrt wird von den Empfängern dieser fringe benefits ein Wohlverhalten eingefordert, das den Bestechenden die wirtschaftlichen, persönlichen oder gesellschaftlichen Vorteile verschafft. Das Spektrum der Annehmlichkeiten reicht von Geldzuwendungen bis hin zu akademischen Würden.

Allen Korruptionsversuchen ist gemeinsam, dass die Akteure, staatliche wie private, zu Lasten unbeteiligter Dritte, also praktisch zu Lasten der Mitbewerber im Markt, handeln. Wettbewerb wird durch Korruption eingeschränkt. Er kann sich nicht über Konditionen, Qualitätsofferten und Preise so entfalten, wie es der Markt eigentlich fordert. Wenn also der Wettbewerb eingeschränkt oder gar behindert wird, werden interne Kosten nach aussen hin verlagert, d.h. externalisiert und private oder unternehmerische Vorteilnahmen werden zu Lasten eines gleichen Wettbewerbs auf die Allgemeinheit umgelegt. Die Allgemeinheit bzw. die Mitbewerber tragen die Lasten des entgangenen Wettbewerbsvorteils. Es steigt bei gleichen Leistungen – staatlichen wie privaten – die Abgabenlast oder umgekehrt, sinkt bei gleicher Abgabenlast die staatliche oder private Leistung. Die den Wettbewerb auszeichnende Planungssicherheit entfällt oder wird zumindest stark eingeschränkt und die Legitimität des Staatsapparates und die Produktivität privater Wirtschaftsleistungen werden untergraben bzw. eingeschränkt. Beides schreckt  ehrliche Investoren entweder ab oder zieht auch sie in den Bann korruptiven Geschäftsgebarens.

Die Folgen dieser Verhaltensweisen sind, dass in toto betrachtet, Wohlstand und Beschäftigung zurückgehen, weil nicht an auskömmlichen Preisen orientierte Mitbewerber im Markt Berücksichtigung finden und Beschäftigte entlassen oder sie ganz vom Markt verschwinden müssen. Unter diesem Aspekt wird deutlich, wie wichtig die Implementierung von Ethik-Managementsystemen in kleinen und grossen Unternehmen sind, um nachhaltig Korruption aus den geschäftsstrategischen Überlegungen zu eliminieren.

Korruption als ethischer Unwert wird für die meisten Akteure nur dann zum Problem, wenn sie nicht geheimgehalten werden kann und dann strafrechtlich verfolgt wird. Sehr viele spektakuläre Beispiele in der jüngsten Vergangenheit haben immer wieder den Sumpf schwarzer Kassen und geheimer Konten aufgedeckt, mit denen die Unternehmen glaubten, dem Wettbewerb ein Schnippchen zu schlagen und am Ende einen unermesslichen Schaden für sich, ihr Unternehmen und das ganze Land heraufbeschworen haben. Bisher waren die Medien die Korruptionswächter. Politische Instanzen haben sich nolens volens nur noch in der Abwehr öffentlich bekannt gewordener korruptiver Unterstellungen üben können, aber nichts oder nur wenig zu ihrer Beseitigung oder Bekämpfung beigetragen. Im Gegenteil. Ihre Kontrollfunktion hat völlig versagt und wird kaum noch von der Bevölkerung ernst genommen.

Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Es ist  ein strafbarer Vorgang, bei dem die Beteiligten möglichst dazu verdonnert werden, dicht zu halten. Es ist empirisch längst erwiesen, dass Korruption sich längerfristig immer negativ auf Investitionen und damit Beschäftigung auswirkt. Ergebnisse aus dieser Erkenntnis blieben jedoch bis heute unbeachtet.

Soziale Netzwerke können helfen, Korruption einzudämmen. Je offener und transparenter soziale Gruppen in der Lage sind, gegen ethische Verwerfungen vorzugehen und korrupte Machenschaften zu verhindern, desto geringer wird auch die Angriffsfläche für Korruption sein. Soziale und ethische Kompetenzen in unserer Gesellschaft und in unseren Wirtschaftsunternehmen werden immer mehr zum Gradmesser für weniger korrupte Handlungsmechanismen und für einen fairen Umgang im Wirtschaftsleben.

In diesem Geist wird auch das Netzwerk von VITAO® einen Meilenstein setzen, der das VITAO® verpflichtende  Wertegefüge in einer Welt deutlich macht, die es verdient, dass alles unternommen wird, damit unsere Zukunft wieder menschen-, anstands- und sachgerecht gestaltet wird.

Mail vom 24. 02.2011- Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Ethik und Gewinnerzielung

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Diese Frage taucht in vielen Diskussionen auf und lässt bei den meisten Diskutanten den Eindruck entstehen, dass man als Unternehmer mit Rücksicht auf ethische Handlungsmaxime nicht mehr den unternehmerischen Freiraum besitzt, der erforderlich ist, um erfolgreich im Markt zu bestehen. Diese irrige Ansicht hat sich durch unkluge und völlig deplazierte Überlegungen bei vielen Unternehmen und Unternehmern manifestiert und es ist  schwer, immer wieder dieses Vorurteil auszuräumen.

Worum geht es in der Unternehmensethik? Grundsätzlich wird für den Markt produziert und dieser wird von Menschen gestaltet: weder von Maschinen, noch von Systemen und auch nicht von Ausserirdischen. Der Mensch steht und bleibt im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens und das ist gut so. Wirtschaften ist nicht Selbstzweck, sondern dient ausschliesslich uns, dem Menschen – und zu seinem Wohl und nicht seinem Untergang.

Die moralische Orientierung des Unternehmens setzt zwangsläufig unternehmerischen Freiraum voraus. Ein Unternehmen, das behauptet, nur unter dem Diktat der Sachzwänge zu produzieren oder zu wirtschaften, hat bereits seine moralische Kompetenz verspielt. Natürlich bestehen in einem Wirtschaftssystem Vernetzungen und Abhängigkeiten, die Grenzen ziehen, die das Unternehmen respektieren muss und nicht ohne weiteres überschreiten kann. Dies enthebt es aber nicht, bei der Wahl seiner Mittel die Gebote verantwortlichen Unternehmenshandelns ausser Acht zu lassen.

Es geht bei der Gewinnerzielung unter ethischen Aspekten nicht um die Höhe des Gewinns oder der erzielten Rendite, sondern um die Mittelwahl, wie und mit welchen Mitteln  dieser Unternehmensgewinn erzielt wird.

Der Unternehmensgewinn bildet erst die Voraussetzung, am Markt zu bestehen und sich unternehmensethischen Fragen zu stellen. Die Ethik steht also nicht konträr der Gewinnerzielung entgegen, sondern begleitet sie und beflügelt sie sogar unter der angemessenen und menschenwürdigen Mittelwahl, den grösstmöglichen, d.h. unter ethischen Aspekten, den angemessenen Gewinn nachhaltig zu erzielen.

Mit der Ethik gewinnt das Unternehmen völlig neue Perspektiven. Es gewinnt den Respekt, die Achtung und die Wertschätzung von Kunden und Lieferanten hinzu und gestaltet sich als ein Partner, der in hohem Masse sich „symmetrisch“ verhält: Er hält das ein, was er verabredet und sagt das, was er denkt. Dies macht ihn im wahrsten Sinne zu einem ethischen Unternehmer, der am Ende nur gewinnen kann und nicht verlieren muss. So gesehen ist der unternehmerische Freiraum die Grundbedingung für die Wahrnehmung ethischer Anliegen und moralischer Orientierung im eigenen Unternehmen.

Ohne auf theologische Weisheiten einzugehen, die immer gerne bemüht werden, um den Erfolg der „Werkstatt Kirche“ zu beweisen, ist unstreitig, dass nur mit dem arbeitenden Menschen – und nicht gegen ihn – eine menschengerechte Arbeitswelt gelingen kann. Wer agrarindustrielle Massenhühnerhaltung seinen Mitarbeitern als tiergerecht verkaufen will, hat nur dann kein Problem dies umzusetzen, wenn er z.B. Druck auf seine Mitarbeiter zur deren Arbeitsplatzerhaltung ausübt. Wer in Bangladesh als Kleiderdiscounter Kinderkleider von einheimischen Schneidern in Massenmenschhaltung zuschneidern lässt und sie in Wochenarbeit von 6 Tagen mit täglich 9 Stunden und einem Stundenlohn von kaum mehr als 0,20 Euro pro Stunde bei einer Tagesproduktion von 2500 Kinderjeans arbeiten lässt, kann kaum als ein unternehmerischer Zeitgenosse behandelt werden, dem der Respekt und die Verantwortung für seine Mitarbeiter positiv angerechnet werden kann. Es ist eher der Beweis, wie die menschliche Würde auf dem Altar wirtschaftlicher Ausbeutung geopfert wird. Hier klafft die ganze Spannweite des menschenwürdigen und menschenverachtenden Unternehmertums auseinander.

Was wirtschaftlich machbar ist, muss auch stets eine moralische Dimension haben. Diese darf und kann nicht ignoriert werden. Beides, die Ökonomie und die Ethik gehen eine Symbiose ein, die für alle Beteiligte in eine Verträglichkeit führt, die für Mitarbeiter und Kunden nur gemeinsame Vorteile hat. Wer dies missachtet, negiert die Notwendigkeit, sich mit ethischen Fragen in der Wirtschaft auseinanderzusetzen. Er übersieht deren positive Wirkung auf die Gewinnerzielung und verkennt die Rolle des Unternehmertums für die menschliche Gesellschaft.

Nochmals, es geht nicht um Verzicht oder um Verluste, sondern es geht um ein positives Bewusstsein, dass nicht diejenigen bestraft werden, die sich im Wirtschaftsleben an ethische Gebote der Menschlichkeit halten. Nur daraus werden langfristig Vorteile gewonnen, die den geschöpf- und menschenverachtenden Wettbewerbern verborgen bleiben.

Aus einem Mail vom 18.02.2011- Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Mit Verantwortung zum Erfolg

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Vor einiger Zeit gab es eine Studie von Ernst & Young zum Thema: “Mit Verantwortung zum Erfolg“.

Unternehmen, die gesellschaftliche Verantwortung zeigen, haben ausserordentlich positive Rückkoppelungseffekte. Sie zeichnen sich meist durch die Unterstützung sozialer Engagements aus und haben  in der Regel  ein überdurchschnittliches betriebliches Wachstum.

Verantwortung zu übernehmen wird dabei zur wesentlichen Triebfeder des eigenen unternehmerischen Erfolges. Geschäftsprozesse werden optimiert und der Bekanntheitsgrad erheblich gesteigert, ohne hierfür eigene Werbemittel einsetzen zu müssen.

Es geht in der Wahrnehmung von Ethikmanagement im Unternehmen nicht einmal um hohe Sach- und Geldspenden, sondern um die Bereitschaft, sich an zukunftsträchtigen sozialen, kulturellen, karitativen, wissenschaftlichen Projekten zu beteiligen, Humankapital und Sozialkapital hierfür bereitzustellen und diese Projekte nachhaltig zu begleiten.

So unterstützen inzwischen von 100 untersuchten Unternehmen (lt. E&Y) 57% der befragten Unternehmen Forschungs- und Bildungseinrichtungen und Bildungsfonds für Schüler und Studenten bis hin zu Förderprogrammen für gesunde Ernährung und Kindertagesstätten. Über 2/3 der Unternehmensleitungen sind davon fest überzeugt, dass sich verantwortungsbewusstes und damit auch soziales Verhalten, immer positiv ausbezahlt, weil es meist mit den eigenen Geschäften und Verbindungen zusammenhängt. Mehr als die Hälfte aller Unternehmen erwarten positive Synergieeffekte aus ihren firmeneigenen Aktivitäten und sie erhoffen sich zugleich bessere Netzwerke auch zu unternehmensfremden Arbeiten und Dienstleistungen.

Unstreitig ist, dass durch die offenkundige gesellschaftliche Verantwortung die Attraktivität der Unternehmen als potentielle Auftrag- und Arbeitgeber steigt und für künftige high potentials, exzellente Bewerber und interessante Kunden ein gesuchter Geschäftspartner wird. Denn immer mehr Anspruchsgruppen in Gesellschaft und Wirtschaft neigen dazu, vom sozialen Einsatz ihres „Partners“ auch auf dessen Unternehmenskultur zu schliessen und damit auch auf sein partnerschaftsgerechtes Arbeits- und Vertragsklima.

In den Unternehmen allerdings, wo die Klugheit fehlt, da hilft dann nur noch die schlechte Erfahrung.

Um diese zu vermeiden, sollten sich die Unternehmen in einem Selbstaudit die Fragen stellen:

  • Wo liegen die Ziele und Prioritäten Ihres Unternehmens?
  • Wo nehmen Sie moralische Defizite wahr?
  • Wie moralisch integer sind Führungskräfte und Mitarbeiter?
  • Was erwarten ihre Kunden in moralischen Belangen?
  • Wie werden Unternehmen in der Öffentlichkeit hinsichtlich ihrer moralischen Integrität beurteilt?

Nach dieser Bestandsaufnahme erfolgt die Erarbeitung eines ethisch fundierten Unternehmensleitbildes und mündet in einen Massnahmenkatalog ein zur Förderung der Wertorientierung. Zur Abrundung eines sich nach ethischen Kriterien selbstverpflichtenden Unternehmens müssen Möglichkeiten der Prüfung und der Sanktionierung aufgezeigt werden. Erst dann ist der Weg frei für ein Unternehmen, das sich dem hohen Wertgefüge eines moralisch und ethisch einwandfreien Wirtschaftspartners stellen kann.

Diese kurze Skizzierung verdeutlicht einmal mehr, dass ein Unternehmen mit einem hohen gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein sich nicht leichtfertig auf die pünktliche Zahlung von Steuern oder einiger Geldspenden zurückziehen kann, sondern in hohem Masse sich die reputative Wertschätzung der Öffentlichkeit erst auf Dauer verdienen muss. Dann ist es im wahrsten Sinne des Wortes ein good citizen und responsible. Am Ende eines derartigen Prozesses ist eine Zertifizierung ethischen Unternehmensmanagements möglich und sie krönt zugleich die hohe Wertschätzung die ein ethikzertifiziertes Unternehmen bei Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, in Staat und Gesellschaft geniesst.

Aus einem Mail vom 18.02.2011 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

«I am responsible» – die Herausforderung!

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Verantwortung verpflichtet. Mit diesem „Slogan“ treten mehr oder weniger prominente Zeitgenossen an die Öffentlichkeit und erschlagen damit jedes entgegenstehende Argument. Sie nehmen nicht zur Kenntnis oder wollen nicht verinnerlichen, dass zur Übernahme von Verantwortung der ernsthafte Wille vorhanden sein muss, die eigene Verantwortung zu erkennen, sie ernsthaft zu leben und notwendige Konsequenzen zu ziehen, wenn er sich ihr stellen muss.

Ver-antwort-ung enthält das Wort Antwort. Worauf gibt der Träger von Verantwortung nun die adäquate Antwort?

Voraussetzung zur Übernahme von Verantwortung ist die persönliche Befähigung, verantwortlich zu sein und sich verantwortlich zu fühlen. Wer hier schon Schwierigkeiten hat, sollte sich der ihm angedienten  bzw. übertragenen Verantwortung gar nicht erst stellen. Nur wer verantwortlich sein will, kann auch Verantwortung tragen. Und nur dann kann er auch verantwortbare Handlungen, Ziele und Maßnahmen treffen und sie mit anderen kommunizieren.

Wer Verantwortung also tragen will und diese als berechtigt anerkennt und danach lebt und handelt, muss Antwort geben können auf das, was er denkt, was er sagt und was er tut. Leider finden wir in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Permanenz eine enorme Diskrepanz, weil ethische Asymmetrien unser Leben bestimmen. Wer Verantwortung in allen Lebensbereichen übernimmt, muss sich als verantwortlich erweisen und für das was er anstrebt, als verantwortbar vertreten.

 Im Unternehmensbereich gehören hierzu die Definierung

  • verantwortbarer Unternehmensziele, eine
  • verantwortbare Mitarbeiterführung und schließlich eine
  • verantwortbare Außenbeziehung zu Kunden, Lieferanten und Gesellschaft.

Leider beobachten wir eine weite Verbreitung von Verantwortungslosigkeit bis in die Spitzenpositionen von Wirtschaft und Gesellschaft. Niemand ist mehr bereit, für seine persönlichen Vergehen Rechenschaft abzugeben, wenn ihn der Staatsanwalt nicht hierzu auffordert. Diese Vergehen sind entweder offenkundig oder sehr subtil. Solange die Öffentlichkeit nicht Anstoss nimmt, gehen die Vergehen weiter, insbesondere dann, wenn die Presse hierzu schweigt.

Angesichts der unzählbaren Fülle dolosen und verantwortungslosen Handelns sticht allerdings die Einlassung eines jüngsten Politstars besonders negativ hervor, die nachgewiesen unwissenschaftliche  Erstellung einer Dissertation in aller Öffentlichkeit als abstrus zu beantworten. Im Kontext der oben erwähnten Interpretation der Verantwortung, erscheint eine solche „Antwort“ als unglaublich.

Wenn ein ausgebildeter Jurist wissentlich eine eidesstattliche Erklärung unter seine fertiggestellte Dissertation unterschreibt mit folgendem Wortlaut: Hiermit erkläre ich ehrenwörtlich, dass ich die vorgelegte Arbeit ohne fremde Hilfe verfasst, hierzu keine anderen als die im Schriftenverzeichnis der Arbeit angegebene Quellen benutzt und noch an keiner andere Hochschule zu Studien- und Prüfzwecken vorgelegt habe, dann handelt es sich um eine vorsätzliche Täuschung. Wenn die alma mater nicht in den Ruf pseudopolitischer Abhängigkeit geraten will, bleibt nur die Aberkennung des Doktorats oder anderer erschlichener akademischen Würde. Widrigenfalls gehört diese Hochschule dann im Ranking aller anderen Hochschulen ans Ende der Hitliste.

Seien wir also vorsichtig mit dem leichtfertigen Umgang anvertrauter Verantwortung. VITAO® weiss um diese Problematik und fordert die tägliche Umsetzung einer nachvollziehbaren Verantwortungsethik, die nicht an den Schranken von Geld und Kapital, von Politik und Macht, von Medien und Gesellschaft halt macht. Auch und insbesondere stellt uns unsere Kampagne «Die Welt schaut auf Glarus»  Ethik- und Demokratie-Verständnis als Standortbestimmung vor eine grosse Verantwortung. Denn es ist nicht auszuschliessen, dass potentielle Mitglieder davon ausgehen, dass es sich hierbei mehr oder weniger um einen Werbeslogan handelt.

Alexis von Tocqueville

Alexis von Tocqueville

Vielleicht fangen wir eines Tages an zu begreifen, dass sich unethisches und damit unverantwortliches Handeln rächt und dass Verantwortung kein Aufwand bedeutet, sondern Ertrag. In Anlehnung an Alexis von Tocqueville  sollten wir uns stets vor Augen halten, dass nicht nur das Nützliche ehrenwert ist, sondern auch das Ehrenwerte nützlich sein kann.

Mail vom 18.02.2011 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Gedanken zur Banken-Ethik

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Anbei einige Gedanken zur Bankenethik, die mich bewegen…

Bislang haben die Geldhäuser einen weiten Bogen um die Bankenethik gemacht. Hypertone Bankengewinne und ungerechtfertigte Gehaltsexzesse bildeten die Schlagzeilen in unseren Gazetten und hatten mit ethischer Unterlegung wenig zu tun. Die Finanzkrise war ein Produkt aus ungezügeltem Machtbewusstsein, unverantwortlicher Spekulation und einem Wettfieber, das nur auf Rennbahnen oder Spielcasinos seines Gleichen suchte. Die Banken waren weit davon entfernt, der Gesellschaft, aus der die Gewinne abgesogen wurden, auch einen Teil ihrer finanziellen Beute zurückzugeben. Die Verunsicherungen, die finanziellen Schäden und die Forderungsausfälle wurden sozialisiert, während die Gewinne eingeheimst, d.h. privatisiert wurden.

Die Finanzinstitute scherten sich wenig um ihren lokalen und regionalen gesellschaftlichen Auftrag, weil sie ihre exorbitanten Gewinne aus dem Äther globaler Vernetzung von Investmentbanking, Rohstoffspekulation und dubiosem Derivatehandel bezogen. Für ethische Überlegungen war kein Platz. Solange diese „Wetten, dass“ Mentalität anhielt und das Glück den Spielern hold blieb, blieb auch die Ethik außen vor. Hinzu kam, dass im Euro-Bereich die Fehler der Banken kaschiert, schlechte assets ausgegliedert und neues Spielmaterial über die Europolitik bereitgestellt wurden.

Die Synchronisation von krisengeschütteltem Bankenmanagement und politischer Willfährigkeit war perfekt. Die Banken haben bis heute die EU als Zugpferd ihrer persönlichen Interessen zu nutzen gewusst. Auch hier fand eine Sozialisierung der Kosten der Finanzkrise und die Privatisierung des zur Verfügung gestellten Nutzens statt. Die Folge ist die latente Erschütterung der Geldwertstabilität des Euro, der im Wettbewerb mit neu auf dem Geld- und Kapitalmarkt drängenden Währungen, weiter Federn lassen wird.

Haben wir eigentlich nicht begriffen, was Jahrzehnte lang die Bundesbank mit großem Erfolg praktizierte, nämlich durch ein hohes Stabilitätsbewusstsein für die Deutsche Mark, diese als Quasi-Reservewährung in der Welt zu etablieren, während wir unter der Ägide der EZB beginnen, die zweitwichtigste Rolle des Euro auf den Weltmärkten als stabilen Anker für Geldanlagen und Import-Exportkalkulationen zu verspielen, trachten?

Der Geist der Bundesbank weht schon lange nicht mehr in den Räumen der Währungshüter. Nur so ist es zu erklären, dass einer der letzten Promotoren für eine stabile Leitwährung nicht bereit ist, das Amt eines EZB-Präsidenten anzutreten, weil ihm die Gefolgschaft für eine stringente Geld- und Währungspolitik versagt bleibt. In diese Landschaft passt dann auch die Verkündung, noch mehr Geld für mögliche internationale Bankpleiten und für den Kauf von Eurobonds bereit zu stellen, damit die Verschuldungspolitik leichtblütiger Mitgliedsländer nicht behindert wird.

Gerade in dieser schwierigen Zeit wäre es wünschenswert gewesen, Protagonisten der unumstößlichen Vermeidung inflationsbedingter Gefahren an der Spitze einer europäischen Institution zu wissen, der es ernsthaft um die Sorge der Geldwertstabilität des Euro geht. In der Tat, eine verpasste Chance, die andere Länder zu nutzen wissen, die großzügiger mit der notwendigen Stringenz preisstabiler Wirtschafts- und Wachstumsfaktoren umzugehen verstehen. Der Euro wird nie so stark sein, wie es die stärkste Nation durch ihre Wirtschaftsdaten ermöglichen könnte, sondern immer nur so schwach sein, wie es die schwächsten Nationen, sprich die verschuldungsfreundlichsten Mitgliedsländer, zulassen. Die Souveränität der einzelnen Mitgliedsländer gestattet ihnen, auf diskretionäre Hinweise der auf Sicherheit und Stabilität bedachten Partner nur mit den Instrumenten zu antworten, wie es die jeweilige eigene Bevölkerung zulässt. Diese Gradwanderung ist natürlich schwierig, sie hat aber die Politik bis heute nicht veranlasst, dafür zu sorgen, dass diesem unseligen Treiben, um mehr Nehmen als Geben, ein Ende gesetzt wird.

Was sich auf den Finanzmärkten ausgetobt hat und noch weiter austoben wird, beginnt sich in der Lebensmittelbranche fortzusetzen, die in eine zügellose international gesteuerte Preistreiberei mit hohem spekulativen Charakter zur Zeit mündet und zu entarten droht. Kein Bereich gesellschaftlichen Zusammenlebens scheint davor geschützt zu sein, nicht zum Gegenstand wilder und den menschenverachtender Spekulation zu werden.

So ist es um so begrüssenswerter, wenn ein ganzer Kanton beginnt, sich auf seine ethischen Wurzeln zu besinnen und Vorbild für Regionen in anderen Ländern zu werden. Was bei klugen Banken und bei einigen wenigen politischen Verantwortungsträgern zu fruchten scheint, wäre der Beginn einer neuen Denkhaltung, die für uns alle das Überleben sichert. Wenn schon diejenigen, die zwar für die angetretene Verantwortungsübernahme hoch bezahlt werden, aber nicht ihrer Ämter würdig sind, so ist es jedenfalls um ein Vielfaches ehrenvoller auch im Kleinen zu versuchen, Schaden von der Gesellschaft und den Mitbürgern auf jede erdenkliche Weise fern zuhalten. Dazu dient auch unser Projekt.

Mail vom 15.02.2011- Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community

Jahres-Unwort «Wutbürger», PID und Ethik

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

Prof. Dr. Joachim Kohlhof

(…) Das kürzlich von der Deutschen Gesellschaft zur Spracherhaltung gekürte Jahresunwort „Wutbürger“ spiegelt meines Erachtens sehr deutlich den Zustand unserer Gesellschaft wider. Die Bürger werden nicht mehr gehört oder verstanden, weil die Vernetzung zwischen Gewählten und Wählern, zwischen Managern und arbeitender Bevölkerung, zwischen kirchlichen Würdenträgern und Gläubigen, zwischen Informanten und Informierten, zwischen Wissensvermittlern und Wissbegierigen nur eine Einbahnstraße ist, von denen nicht beide Seiten profitieren, sondern meist nur die Inhaber der jeweiligen Vorteilsposition. „Wutbürger“ zu sein, spiegelt die Selbstreflexion unserer Gesellschaft wider und sie tut uns solange noch nicht weh, solange die Pflastersteine dort bleiben, wo sie hingehören.

Besser fände ich für uns das Wort „Mutbürger“. Nicht gegen jeden und alles zu sein, ist fortschrittsdenkend, sondern eher das Bekenntnis zur Besserung anstandsgerechten Verhaltens, zur Rückgewinnung von Vertrauen, Selbstverpflichtung und Eigenverantwortung. Der dadurch gesicherte Erfolg steht allen zugute und nicht nur einer kleinen Renegaten-Clique, die aus der Geschichte offenbar noch nichts gelernt zu haben scheint.

In allen Feldern unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens entdecke ich nur noch schwarze Löcher, aus denen offenbar kein Entrinnen mehr möglich ist. Der Missbrauch in den Kirchen wird auf die Zeit der 60iger-70iger Jahre festgemacht; also einem Zeitraum der die strafrechtliche Verfolgung nicht weiter thematisieren muss. Als wenn sexuelle Übergriffe und Missbrauchstaten zölibatärer Priesterschaft lediglich auf wenige Jahre dieses Jahrhunderts reduzierbar sind.. Aber wenn die „alleinseligmachende“ Kirche nicht selbst Buße tun will, um wieviel schwerer wiegt der Mangel an Glaubwürdigkeit, die Bußsakramente ihrer Glaubenslehre auch tatsächlich und effektiv zu vermitteln.

Die gleiche Heuchelei findet zur Zeit im Umgang mit der Präimplantations-Diagnostik statt, in der einige politische Kader ihre moralische Position entdeckt zu haben scheinen, indem sie die PID zwar generell ablehnen, aber in speziellen Ausnahmefällen die Verantwortung einer Ethikkommission übertragen wollen, wenn Elternpaare zu erwarten haben, dass die Geburt eines im Reagenzglas getesteten Embryos möglicherweise mit bleibenden Schäden zu rechnen hat, sofern es dann von der Mutter ausgetragen wird. Diese Haltung ist unerträglich und es wundert, dass so viele Frauen in politischer Verantwortung diesem unseligen Treiben tatenlos zu sehen. Ihnen ist offenbar mehr daran gelegen, so zu tun, als wenn der PID durch die vorgezogenen Tests Tür und Tor geöffnet wird, um daraus Wunschkinder (Designerkinder) abzuleiten, zu denen in Deutschland sicherlich vor einigen Jahrzehnten eine gewisse Affinität bestand. Es ist doch ungleich problematischer für die Mutter und einer bereits implementierten Eizelle, wenn während der Schwangerschaft dann erlaubterweise getestet wird, ob das noch auszutragende Kind lebensfähig ist. Für Mutter und auszutragendem Kind ist die Gefahr einer dann legalen Abtreibung viel höher, als wenn dies bereits im Vorfeld einer PID geschieht. Vielleicht haben wir immer noch ein gestörtes Verhältnis zum menschlichen Leben und goutieren unser Verhalten mit der seltsamen Einlassung, die PID wäre ein Eingriff in den göttlichen Schöpfungsakt. Was für eine Blasphemie angesichts der täglichen Torpedos, die tatsächlich den göttlichen Wirkungskreislauf verletzen oder ihn total zerstören.

Wenn die Ethik wirklich Einfluss nehmen kann, durch bindende Entscheidungen, würden sich im gesellschaftlichen, beruflichen und kirchlichen Umfeld die erschütternden Exzesse sicherlich reduzieren. Aber auch in diesen sog. Ethikkommissionen finden stramme Parteisoldaten ihre moralische Tinktur, aus der sie jeweils die geeignete  Farbe wechseln können, wie andere Menschen ihre Hemden.

Ich bin am Ende eines bewegten Jahres immer noch verwundert, wie leichtfertig der Umgang mit der Ethik genommen wird. In unserer Beliebigkeitsgesellschaft wird sie schnell in das Kleid der Nachhaltigkeit gesteckt, über die allenthalben Foren, Seminare, Konferenzen abgehalten werden, die in nahezu allen Fällen wenig bewirken und nur dazu dienen, sich den Anschein um Besserung der Welt zu geben.

Wir werden die Welt nicht verändern, aber es macht uns Mut – deshalb „Mutbürger“ – ein treues Bekenntnis abzugeben, woran wir glauben und auch dann immer noch einen Baum zu pflanzen, wenn morgen die Welt unterzugehen droht. Nicht Wut gegen die Herrschenden erscheint  das Signal für die Zukunft zu sein, sondern der Mut zu einem Bekenntnis für ein menschengerechteres Zusammenleben. Die salbungsvollen Reden zu Weihnachten und am Ende eines turbulenten Jahres, an dem immer nur die „Anderen“ Federn lassen mussten, besinnen sich die Mächtigen der Staaten, wofür sie eigentlich angetreten sind und wofür ihnen Vertrauen und damit der persönliche Geldsegen ermöglicht wird.. Leider ist die Verfallzeit ihrer Reden und Worte so rasch vergangen wie das ausgesprochene Wort selber, so dass sie sich bei ihrem nächsten Statement schon nicht mehr daran erinnern können, was sie vor wenigen Minuten andernorts gesagt haben. Die Verantwortung ist eben ein flüchtiges Gut, das im Wertschätzungskatalog der Machtbewussten keinen dauerhaften (nachhaltigen) Platz gefunden hat.

Finden wir zu Weihnachten mehr als nur tröstliche Stimmung. Es kommt auf das Kind an und sonst nichts anderes. Alles an diesem Fest lebt davon, welche Mitte wir wählen und stirbt oder wird zur Illusion, wenn wir dieses Zentrum der Heiligen Nacht nicht ansteuern oder gar aus dem Auge verlieren (…)

Mail vom 21.12.2010 – Prof. Dr. Joachim Kohlhof  Schirmherr Vitao®Ethic-Community